Welch‘ Überraschung, die Etüden sind ein Jahr alt, ich hatte sie für viel älter gehalten, nicht weil sie antiquiert rüber kommen, sondern … hm … vielleicht wegen der schnurrenden Selbstverständlichkeit, mit der sie Woche um Woche jede Menge Kreativität hervorlocken.
Wortspender der Woche ist diesmal der Etüdenerfinder- und illustrator Ludwig Zeidler höchstpersönlich
FBR121102
ultraviolett
Supernovaüberrest
sind seine spacigen Herausforderungen, mehr dazu in der Schreibeinladung.
Ich widme diese Etüde einem kleinen Jungen, den ich mal gekannt habe, dessen Namen ich aber aus rechtlichen Gründen nicht nennen werde.
Die Astronautin sendet ihr übliches Signal, ein zartes, kaum sichtbares Wedeln nur mit Ringfinger und Kleinem Finger der rechten Hand. Dann klopft sie sachte auf den Tablet Computer neben ihrem Atemschlauch und eine mechanische Frauenstimme beginnt vorzulesen. Es verspricht anspruchsvoll zu werden, es geht um Supernovaüberreste und etwas, das sich „FRB121102“ nennt, ein Radiosignal aus einer drei Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie. Weil die Dekodierung der Astronautinnen-Signale dauert, nutze ich die Zeit und fülle während unseres Gesprächs die Spezialnahrung in den entsprechenden Schlauch.
„Drei Milliarden Lichtjahre, kannst du dir das vorstellen?“, frage ich. Sie grinst, ihre blauen Augen, winzig hinter den dicken Brillengläsern, funkeln schelmisch, denn sie weiß, ich kann es nicht. Sie findet mich auch sehr eingeschränkt, weil ich mir weder infrarotes noch ultraviolettes Licht vorstellen kann, doch zu meiner Verteidigung bringe ich an, ich war die Einzige auf Erden, die beharrlich daran geglaubt hatte, dass es möglich ist, mittels Tablet mit der Astronautin in Erdlingssprache zu kommunizieren.
Es könnte auch ein Signal aus einer anderen Zivilisation sein, sendet die Astronautin, und das Funkeln hinter den Brillengläsern nimmt Fahrt auf. Oh weh, mich grausts, ist das jetzt ihr Heimweh nach einem Planeten ohne Schwerkraft, ihrer wahren Heimat, in der man zum Atmen, Bewegen und Schlucken keine Muskelkraft braucht, in der sie ohne maschinelle Unterstützung existieren kann?
„Schon neun Jahre, bei dem Gendefekt , das ist extrem selten“, hatte die Professorin der Uni-Klinik erst letze Woche gesagt.
Ach Mensch. Eine herzzerreißend bittersüße Geschichte. Da muss ich echt schlucken, wenn ich mir das vorstelle …
Liebe Grüße
Christiane
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Ich schlucke mit, ich muss auch zugeben, dass mich die Geschichte sehr berührt, wenn man mit so einem Schicksal noch positive Regungen zeigt.
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Meinen Beruf geschuldet, habe ich schon einige Kinder mit vergleichbaren Erkrankungen kennengelernt, darunter einige mit großer Lebenslust und Sinn von Humor (gern auch auf Kosten der Kinderkrankennschwester ;))
Natalie
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Du hast einen schönen, aber sicher auch sehr schweren Beruf.
Mögest du vielen Kranken ein Lächeln ins Gesicht zaubern.
Liebe Grüße
Anna-Lena
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