Das Peinliche vorweg: Ich war bis gerade eben überzeugt, der katholische Feiertag Maria Lichtmess, den in meinem Umfeld kein Mensch kennt oder gar feiert, sei heute, also am 4. Februar. Nachschlagend stelle ich nun fest, Maria Lichtmess war vorgestern, am 2. Februar, vierzig Tage nach Weihnachten. Wieder was gelernt, auch dass der berühmte Murmeltiertag auf dieses Datum fällt.
Ich besuchte als evangelisch getauftes Kind, das in einer weitgehend unreligiösen Familie im protestantischen Hamburg aufwuchs, eine katholische Schule. Die Schule war meinen Eltern als gute Schule empfohlen worden.
Ob sie das wirklich war, darüber kann man streiten, aber ohne sie hätte ich als Schülerin vermutlich keine Heilige Messe zu Maria Lichtmess im Kloster Nütschau besucht. Die Lichterprozession vor dem gläsernen Altar und der Gesang der Mönche beeindruckten mich tief. Der Text, den ich bis heute nicht vergessen habe „Nie haben meine Augen solch Heil geschaut, ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und deines Volkes Israel“, mag mehr als fragwürdig erscheinen. Mein jugendliches Ich empfing bei dieser Gelegenheit nur das Tröstende, Zuversichtliche, Gelassene, das aus dem altertümlichen gregorianischen Gesang sprach.
In der Predigt erzählte der Priester vom alten Brauch am Lichtmesstag vorsichtig gegen die Stöcke der Bienen zu klopfen, um ihnen tröstend zu verheißen, der Frühling sei nicht mehr weit.
Die tiefe Erleichterung der Menschen, wenn die Tage endlich wieder länger werden, zumal der Menschen, die vor der Einführung des elektrischen Lichts lebten, spricht aus diesem und vielen Lichtmessbräuchen.
Das war mir damals nicht bewusst, aber die Vorstellung im Schneematsch gegen einen Bienenstock zu pochen und den Bewohnerinnen Durchhalteparolen zuzuwispern, prägte sich ein und verlieh meiner Phantasie Bienenflügel. Ich habe den alten Brauch in mehr als eine Geschichte eingearbeitet.
Weder die Schule noch diese bewegende Messe haben mich zum Glauben an Gott bekehrt, die Bekehrung zur Biene dagegen gelang. 2013 konnte ich mir meinen Traum erfüllen. Selbstredend statten wir den Stöcken an Maria Lichtmess, bzw. an dem Tag, den ich dafür halte, einen Besuch ab, klopfen vorsichtig an und geben aufmunternde Worte von uns. Als Antwort heute tiefes Brummen und Brausen aus allen drei Stöcken, von Bienenseite vermutlich irgendwo zwischen alarmiert und genervt.
Sie leben, wie wunderbar, sind weder verhungert noch von Pestiziden oder Varroamilben dahingerafft worden. Bestimmt sind sie seit dem viel zu warmen Januar wieder in der Brut. Als vor zwei Wochen plötzlich 13 Grad Celsius waren, sind sie sogar geflogen. Das kann böse enden, wenn es wie 2017 spät im Frühjahr noch einmal richtig lange kalt werden sollte. Ende April haben wir sie mit warmen Zuckerwasser hochpäppeln müssen.
Heute überwiegt die Vorfreude auf einen Bienensommer. Auf Anregung des kleinen Fundevogels sangen wir ihnen noch ein Lied vor, keine Psalmen, sondern ein Frühlingslied von Rolf Zuckowski, immer wieder kommt ein neuer Frühling …
Wir haben unser Bestes getan.
Liebe Biene ;-), sehr schön!!!
Kann ich mir vorstellen dass der Lichtmess-Gottesdienst sehr bewegend und tiefgehend war!
Meine Freundin begeht mit ihren Ritualfrauen regelmässig an Lichtmess Spirituelles :-). Ab da dürfen wieder weitreichende Entscheidungen getroffen werden.
Deinen Beitrag würd /werd ich gern rebloggen.
Herzlich
Petra
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Hat dies auf Wesentlich werden rebloggt und kommentierte:
Natalies Artikel über die Bienen einerseits und Lichtmess andererseits gefällt mir sehr. Deshalb reblogge ich ihre sehr lesenswerte Geschichte.
Zufälligerweise bin ich vorhin an einem gross angelegten Bienenhotel vorbeispaziert. Hätte ich von dem zarten Anklopfbrauch gewusst hätte ich es einmal sanft probiert anzuklopfen.
Lichtmess gehört irgendwie ä zu meiner Weihnachtszeit dazu die hiermit endgültig vorbei ist. Schön dass Natalie darauf eingegangen ist.
Ab jetzt dürfen weitreichende Entscheidungen getroffen werden, die vorher im Winterschlaf dümpelten.
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Liebe Petra,
Die Sitte mit den weitreichenden Entscheidungen ist mir nun völlig neu — ist wohl auch nicht immer einzuhalten, da manches Weitreichende doch sehr drängt.
Dass Weihnachten erst am zweiten Februar „endgültig“ vorbei ist, hörte ich das erste Mal von zwei Mexikanern, die das Weihnachtsfest vor einigen Jahren mit uns verbrachten und brachte es damals nicht mit Maria Lichtmess in Verbindung. Die beiden schilderten einen solchen Strauß zum Teil sehr ergreifender Weihnachtsbräuche, dass ich mir ganz kulturlos vorkam.
Ich fühle mich immer schon vom hiesigen Weihnachtsfest erschöpft, bin eher Alltags – als Festmensch, in diesem Sinne wohl eine echte Protestantin.
Aber dieses innerliche Jubilieren, dass die Tage endlich länger werden habe ich heute an diesemklaren Tag ganz intensiv gespürt …
Und diese Freude scheint viel von diesem Fest auszumachen.
Natalie
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Hallo Natalie, das hab ich von meiner evangelischen Freundin-Pfarrerin: Entscheidungen die nicht einfach sind einfach bis Lichtmess im Herzen bewegen und dümpeln lassen :-). Hat mir immer mal wieder gut getan. Passte auch zum seelisch-körperlichen Januarloch.
Schön, dass Du so schöne Weihnachtsbräuche erzählt bekommen hast. Großartig. Dass du dir kulturlos verkamst verstehe ich.
Ich freue mich heute ganz doll mit Dir, dass die Tage länger hell sind … es ist halb sechs und es ist hell draußen. Wunderbar. Herzlicher Gruß aus Sent im Unterengadin, nochmehr Licht tanken durch Schnee und Sonne :-).
Petra
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Ich hätte ja viel zu viel Sch*ss davor, von einem wütenden Volk Bienen attackiert zu werden, aber ich mag, was dahinter steckt 😀. Bin als Kind aus einer mischkonfessionellen Ehe evangelisch getauft und mit ein bisschen von beidem groß geworden, manche kirchlichen Rituale sind schon sehr beeindruckend. Ich zünde zum Beispiel gerne Kerzen für die Verstorbenen an. Und dass die Tage jetzt wieder heller werden, tut der Seele einfach nur gut. Liebe Grüße, Viola.
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…. und ich hätte viel zu viel Angst, um einen traumatisierten Hund aufzunehmen …
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Ich finde es sehr gut, dass nicht alle Menschen vor den gleichen Dingen Angst haben. Das macht die Welt angenehm bunt.
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Uii, niemals bei Bienen im Winter anklopfen
Da brauchen sie ihre Ruhe.
Meine Mama ist Imkerin (auch noch mit fast 85),
und als ich so 9 oder 10 Jahre alt war, hat sie in einem Winter alle Bienen verloren, weil Eichhörnchen auf dem Bienenhaus tanzten, bis die Bienen rauskamen und alle erfroren 😦
Da waren dann zu wenig im Stock geblieben, um die Königin zu wärmen.
LG, Hiltrud
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Hallo Hiltrud,
Oh hoffentlich kann ich auch so lange imkern wie deine Mutter!
Im Imkerkurs hatten wir gelernt, im Winter durchaus ab und an vorsichtig zu klopfen, um zu hören ob sie leben … hm … sie kommen dabei auch nicht raus.
vielleicht ist ein vorsichtiges Pochen etwas anderes als ein Eichhörnchendauerbeschuss?
Traurige Geschichte ist das trotzdem, kann schon verstehen, dass deine Mutter da jetzt extrem vorsichtig ist
Herzliche Grüße
Natalie
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… ich behalte deine Warnung aber im Kopf, Hiltrud.
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