Die Wörter für die sechste Etüdenrunde des Jahres spendete Anna-Lena mit ihrem Blog Meine literarische Visitenkarte.
Unterhemd
knallvergnügt
verzichten
mussten in höchstens zehn Sätzen untergebracht werden.
Die Illustration dazu stammt wie immer von Ludwig Zeidler.
Es war genauso schrecklich, wie ich es mir vorgestellt hatte, aber dank der gezahlten Aufwandsentschädigung würde ich den Kredit halbwegs problemlos bedienen können. Ohne ihn hätte ich die OP für den Hund nicht bezahlen können, und er hätte eingeschläfert werden müssen.
Heute lief es ganz gut, alles entgegenkommende Menschen, die zur vereinbarten Zeit anwesend waren, die elementaren Regeln der Höflichkeit beherrschten und vor allem darauf verzichteten, mir ihre politische Sicht der Dinge dazulegen, was den Aufwand jedes Mal erheblich, die Entschädigung aber leider gar nicht erhöhte. Der augenzwinkernde Spruch nicht mehr so wie 1987 beim Volkszählungsboykott, also damals hätte ich Sie… war nämlich kein bisschen originell, sondern so Durchschnitt wie die Dampfplauderer selbst, die in jeder statistischen Sparte im Mittelfeld verendeten.
Das lilafarbene Unterhemd und die Jeans der letzten Interviewten heute waren so eng, dass es aussah, als sei sie damit bezogen worden. Ein rosa Kakadu kreischte, während er seine Krallen in ihre unbekleidete Schulter bohrte und auch ihre Füße waren nackt, obwohl die Wohnung anscheinend nicht beheizt war. Sie hat ein Schweigegelübde abgelegt, ich spreche einfach für sie mit, teilte die im lila Hemd zuvorkommend mit, als ich ihre Mitbewohnerin, die in Wintermantel und mintgrünem Petticoat auf dem Sofa saß und ins Ungefähre starrte, begrüßen wollte. Der Kakadu hatte leider kein Schweigegelübde abgelegt und kackte auf meine Laptoptastatur, während meine Interviewpartnerin Kaffee und Keks reichte und dabei fröhlich erzählte, sie habe ihren Mietvertrag verloren, die Nebenkostenabrechnung auch und sie lebten zu zweit von 220 Euro im Monat, wobei durch Wahrsagen und Auftragsflüche schon noch so dies und jenes dazu kommt.
Als ich mich schließlich abgefüllt mit ihrer verwirrenden Liebenswürdigkeit, ihren seltsam gewürzten Keksen und dem unausgefülltesten Fragebogen bisher erschöpft und durchgefroren im Treppenhaus an die Wand lehnte, erscholl aus ihrer Wohnung zweistimmiges knallvergnügtes Hohngelächter und ein vor Albernheit japsendes dreh‘ bloß schnell die Heizung an.
Aber der Hund musste nicht eingeschläfert werden, das allein zählte.
Wir gehören zu dem einen Prozent der Haushalte, die für den Mikrozensus 2018 per Zufallsverfahren ausgewählt wurde. Die Teilnahme ist verpflichtend und ich habe nicht die Energie, dagegen vorzugehen.
Hatte ich schon 1987 nicht, obwohl ich damals politisch sehr aktiv war. Andere Themen waren und sind mir wichtiger. Wir wurden damals bei der Befragung dann irgendwie vergessen.
Die Erhebung wird von Ehrenamtlichen durchgeführt und mich beschäftigt seit Tagen die Frage, was um Himmels Willen, einen so solch einem freiwilligen Engagement bewegen kann.
Der Plan war, „meinen“ Erhebungsbeauftragten zu fragen und, falls er einverstanden sein sollte, seine Antwort dieser Etüde beizufügen. Nun hat er für heute abgesagt, auch weil er noch rauskriegen muss, was er damit macht, dass ich über den Fundevogel, für den ich kein Sorgerecht habe, keine Auskunft geben werde.
Ich werde ihn auf jeden Fall normal bekleidet in einer normal temperierten Wohnung empfangen. Meinen Mietvertrag habe ich allerdings wirklich versehentlich weggeworfen und fürs Kreischen ist hier der kleine Fundevogel zuständig
karnevaleske Geschichte, super!
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… und das, wo ich hier vom Karneval kaum was mitbekommee, gut ich habe heute morgen den Kleinen für die Kita als Froschkönig vekleidet und ein Blech Muffins mitgegeben, aber sonst findet der Karneval nur sehr am Rande meiner Wahrnehmung statt.
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Wieder eine deiner Geschichten, die auf dem schmalen Grat zwischen Lachen und Weinen balancieren. Krass – und großartig.
Liebe Grüße
Christiane
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Danke, das freut mich.
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