Kuckucksrufen (ABC-Etüde)

Die Wortspende zur ABC-Etüden-Runde der 20. Kalenderwoche stammt von Christa Hartwig. Ihre Etüden kommen zurzeit in elegantem Grau daher und auch ihre gespendeten Wörter finde ich ausgesprochen elegant:

Kusshand

formvollendet

anpeilen

Die Spielregeln und alle weitern Etüden zu dieser Wortspende findet ihr bei Christiane (Link siehe oben), der Dank für die ebenfalls elegante Illustration geht an Ludwig Zeidler.

2018_20_2_zwei

Siebenundzwanzig, achtundzwanzig, neunundzwanzig zählt sie Kuckucksrufe, obwohl sie eigentlich im Ungewissen stochern soll, um die Website ihres kleinen Ferienbauernhofs den Forderungen der Datenschutzgrundverordnung gefügig zu machen. Nach dem dreiundneunzigsten formvollendeten Ruf verstummt der Vogel mit einem halben kläglichen „kuk“, und sie hat auf einmal das Verlangen ihren Kopf auf die Tastatur zu legen und den Laptop mit ihren Tränen zu ersäufen.

Hundert Rufe hatte sie angepeilt, dann wäre alles gut geworden, Blödsinn, sie weiß, bei der Masse ihrer Probleme fällt eher der Kuckuck tot vom Baum. Sie benötigen nicht nur eine rechtssichere Datenschutzerklärung, sondern auch dringend jemanden, der die hintere Wohnung zu einem erschwinglichen Preis auf Vordermann bringt und am besten auch noch die Pferde versorgt, weil ihr Rücken das nicht mehr mitmacht, vor allem aber brauchen sie bitte, bitte endlich einen guten Lebensort für Saskia. Den Platz in der anthroprosophischen Lebensgemeinschaft mit den vielen Pferden hat die Eingliederungshilfe glatt abgelehnt, da sei Saskia nicht fit genug für, Heim und Werkstattplatz bitte sehr.

Der Kuckuck gibt ihr eine zweite Chance, sie kommt allerdings bei Ruf siebenunddreißig durcheinander, weil es an der Tür schellt, bestimmt schon wieder DHL — oder ein neues Problem.

Saskia, die wohl nun bis zum Tod ihrer Eltern zu Hause leben wird, klatscht und freut sich, denn vor der Tür steht ein Pferd, ein winziges Pferd, kaum größer als ein Dobermann und sicher mehr mehr als dreißig Jahre alt so tief wie die Höhlen über den Augen sind. Der kleine, ja ebenfalls winzige Mann schwer zu schätzenden Alters neben dem Pferd stellt sich in altertümlichem Deutsch mit formvollendeter Höflichkeit vor und fragt leise nach einem Platz für das Pferd, zu arbeiten dafür sei er bereit, Tierpflege, Renovierungen, Computerprobleme lösen, was auch immer, nein, nein kein Geld, nein, Papiere auch nicht so recht.

Illegale Einwanderung, Schwarzarbeit, Pferdediebstahl, das wird jede Menge Ärger zusätzlich geben, dröhnt es in ihrem Kopf, während Saskia hingebungsvoll das Pferd krault und der Kuckuck Rekorde brechen zu wollen scheint.

„Ach, zum Kuckuck mit allem Regelungswahn, Sie hat der Himmel geschickt, ich nehme Sie mit Kusshand.“

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4 Gedanken zu “Kuckucksrufen (ABC-Etüde)

  1. Anna-Lena Mai 18, 2018 / 9:27 pm

    Da soll mal jemand sagen, dass sei nicht hochaktuell und mitten aus dem armen Bloggerleben gegriffen.
    Ich wünsche dir eine Lösung aller Unwegsamkeiten – formvollendet!

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  2. fundevogelnest Mai 18, 2018 / 10:30 pm

    Danke dir.
    Nur um Missverständnisse auszuschließen: Ich habe weder einen Ferienbauernhof noch Pferde. Und meine Tochter wird wohl – wenn auch mit Unterstützung, besonders bei Finanzen, Ämtern etc. eines Tages allein klar kommen.
    Unwegsamkeiten gibt es hier allerdings zurzeit mehr als genug.
    Natalie

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  3. violaetcetera Mai 19, 2018 / 2:34 pm

    Hat mich sehr ergriffen. Einfach mal auf das eigene Herz hören und machen, so wird die Welt auch besser.

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  4. Christiane Mai 20, 2018 / 10:59 am

    Und der Kuckuck, der ihr gut zuredet, das Wagnis einzugehen! Ich mag deine Geschichten und ihre Menschen so sehr.
    Liebe, sonnige Grüße
    Christiane

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