Fräulein Read Ons Einladung Gerüche zu sammeln entzückt mich jeden Monat wieder:
Im August erinnerte sich der Regen an unsere Gegend und es roch einfach wunderbar. Nichts lieblicheres, nichs köstlicheres kenne ich als Sommerregen auf dürstender Erde. Immer kommt mir dann Händels Lobgesang in den Sinn: Alles, was Odem hat…
Was du da riechst, sind die Geruchsstoffe der Regenwurmausscheidungen, klärt der Student der Geowissenschaften mich auf. Seitdem hoffe ich auf den Tag, an dem mich jemand nach meinem Lieblingsduft fragt und ich genießerisch die Augen verdrehen und Regenwurmkacke säuseln kann.
Der August riecht nach Brombeeren, nach Tomaten und Kartoffeln aus frischer Erde. Nach altem Vogelkot und Verwesung riecht es beim Reinigen der Nistkästen und in einem Nest liegt noch ein winziges hellblaues Ei. Der Kleine Fundevogel ist entzückt, doch schon hat er das Ei zerdrückt. Es war leer.
Auf dem Herd riecht es nach Essig vom Einmachen der unerschöpflichen Zucchiniernte, nach eingekochten Brombeeren und Tomaten, nach getrocknetem Thymian und Koriander. Der August riecht mindestens einmal die Woche nach Birnen, Bohnen und Speck. Selten wird hier regionaltypisch gekocht, noch seltener Fleisch, aber Birnen, Bohnen und Speck, das muss sein und die Bohnen tragen reich in diesem Jahr.
Der August riecht nach der Angst des Großen Fundevogels. Die Angst riecht nach jugendlichem Schweiß, ungewaschener Wäsche und vergammelndem Essen auf unzähligen Tellern hinter einer stets verschlossenen Tür.
Nach Erschöpfung riecht er auch, dieser August, mehr als je danach roch. Die Erschöpfung riecht nach muffiger Wäsche, die zu lange in der Waschmaschine lag, nach den Putzmitteln in der Polizeiwache, wo ich den Verlust der Handtasche angab, die doch nur in der Garderobe des Kindergartens lag, nach zu viel schwarzem Tee und hastig gegessenen Schokoriegeln.
Der August riecht nach den Zigaretten der Männer auf der Brücke, die mir vorwerfen nicht auf mein kleines Kind aufzupassen, denken Sie an die vielen Vergewaltigungen, sagen sie und schnipsen ihre Kippen in den Bach.
Morgens riecht der August schon nach dem Ende des Sommers, erfrischend nach der Zeit der machtvollen Hitze, freundlich und weich hüllt die Spätsommerluft mich ein, schmeichelnd und schützend wie ein seidenes Tuch.
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wenn Du mal nicht mehr Regenwurmkacke säuseln magst, sag einfach geheimnisvoll Petrichor – der Geruch des Regens auf trockener Erde – mitnichtenundneffen Regenwurmkack… kicher. Der große Fundevogel, ich wünsche Kräfte die über die Angst beflügeln, Dir und ihm, Euerem Fundevogelnest. Unter mir klimpert wer auf dem Klavier, so sende ich klingende Grüße. Eva
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Liebe Eva,
Petrichor ist ein feines Wort, wird umgehend in den hauseigenen Wortschatz aufgenommen.
Den Wikipediaartikel dazu lasse ich dem gerade aushäusigen Studenten der Geowissenschaften zukommen, das wird bestimmt ein interessantes Gespräch.
Danke für diesen sehr inspirierenden Kommentar.
Die Monster im Leben des Großen Fundevogels kehren immer wieder, in der Regel gehen sie auch wieder.
Ihre Kraft in diesem Jahr ist erschreckend.
Herzliche Grüße
Natalie
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