Schuppenzeiten (ABC-Etüde)

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Kurz vor Schluss der aktuellen Runde noch meine Etüde mit den von Petra Schuseil gespendeten Wörtern:

Winterreifen

stolpern

eifersüchtig

die in einen Text mit maximal 300 Wörtern eingearbeitet werden sollten. Das Genre des Textes ist frei. Alle zusammengekommen Texte präsentiert wie immer Christiane in ihrer Schreibeinladung. Von ihr stammt auch die Illustration.

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Die erste Schuppenzeit war die, in der Opa noch lebte und Oma nur ein bisschen wunderlich war, als sie Zucker mit Maizena verwechselte und im April die Johannisbeersträucher stutzen wollte, aber Nadine noch als ihre Enkelin erkannte.

Mit Opa säte Nadine Möhren und pflanzte Kartoffeln. Sie lernte Apfelbäume schneiden und Unkraut von Salatsprößlingen zu unterscheiden. Wenn der Regen auf das Zinkdach des Schuppens trommelte, putzte Opa das Werkzeug und erzählte siener lütt Deern dolle Geschichten.

An dem Tag, an dem der Hubschrauber auf der Koppel neben dem Haus landete und der Notarzt den Tod des alten Herrn feststellte, endete die erste Schuppenzeit.

Herbert zog ein, weil er die Mama wohl liebte und es ihr zu viel war so allein mit der Nadine und der wunderlichen Oma. Im Garten wurde nur noch Rasen gemäht, im Schuppen lagerten vorn abwechselnd die Sommer- und die Winterreifen.

Hinten spannten Nadine, Iris und Monika Stolperdrähte, über die nie jemand stolperte, denn weder Mama noch Herbert interessierten sich für ihr Refugium und Oma verließ das Bett nicht mehr.

Eine für alle, alle für eine, schworen sie, gaben dem Kätzchen, das Iris Vater ersäufen wollte, Schuppenasyl bis es fortlief und blamierten erfolgreich die Sportlehrerin, die über Monikas Übergewicht spottete. Sie aßen die Johannisbeeren, die keiner mehr pflückte, aus der hohlen Hand, lernten alte Gedichte, erfanden unerhörte Geschichten, schmiedeten Pläne für eine endlich liebevolle Welt.

Das Ende der zweiten Schuppenzeit kam mit John Travolta, dessen Name über Iris und Monikas Lippen perlte, so süß der Typ. Bald lösten Jungs aus der Oberstufe Herrn Travolta ab. Monika und Iris verliebten sich gleichzeitig unsterblich in Uwe und ihre eifersüchtigen Umtriebe füllten den Schuppen ganz. Zwei gegeneinander, eine bleibt zurück.

Eine dritte Schuppenzeit kam nicht mehr, denn nach Omas Tod bestellte Herbert ein Abbruchunternehmen. Er wollte längst eine zweite Garage.

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7 Gedanken zu “Schuppenzeiten (ABC-Etüde)

  1. Christiane Februar 15, 2019 / 11:28 pm

    Klingt nach einer wilden Kindheit. So süß, bittersüß, irgendwie, und trotzdem macht es mich schwermütig, wenn ich deine Etüde lese. Da dockt viel von mir an.
    Liebe Grüße
    Christiane

    Gefällt 2 Personen

    • fundevogelnest Februar 15, 2019 / 11:42 pm

      Es sind ziemlich viele Erinnerung in dieser Etüde verquirlt.
      So einen Schuppen(auf dessen Platz nie eine Garage gepasst hätte) und so einen Opa gab es, aber ich war das Kind, das da auf Besuch war.
      Den Schmerz des Abschieds, wenn die Herzensfreundinn plötzlich nur noch über Männer reden, ist dagegen vertraut.
      Natalie

      Gefällt 2 Personen

  2. Petra Schuseil Februar 16, 2019 / 7:22 pm

    So schön!
    Einen schönen Samstagabend wünscht Petra

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  3. Katharina Februar 18, 2019 / 6:23 pm

    Klingt nach einer traurig schönen Kindheit. Toll geschrieben.
    Grüße, Katharina.

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    • fundevogelnest Februar 20, 2019 / 9:23 pm

      Der Textstark inspiriert von einer Kindheitsfreundin, bei der ich viel Zeit verbracht habe.
      Das Mädchen hatte glaube ich keine wirklich schöne Kindheit, besonders nach dem Tod des Opas nicht mehr.
      Aber nachdem sie nur noch pausenlos für irgendwen – nicht nur Travolta – schwärmte, lief unsere Freundschaft auseinander.
      Insofern ist es keine Erinnerung (an ihre Oma kann ich mich z.B. gar nicht erinnern), sondern eine neu zusammengefügte Geschichte.
      Liebe Grüße
      Natalie

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