Schwimmen bei Regen (ABC-Etüde)

 

Nach einem langen Gartenwochenende mit glücklich pütschernden Kindern im Nieselregen, wird es Zeit mich meiner eigenen Wortspende für die Etüden anzunehmen:

Nieselregen

weich

irren

hatte ich in einem – ich weiß es noch – recht verzagten Momen ausgesucht. Ich mag sie aber immer noch. Aus ihnen galt es nun einen höchstens 300 Wörter langen Text zu schmieden.

Meine Geschichte ist mir vom März in den Juli/ August gerutscht, aber Nieseregen gibt es ja immer.

Christiane danke ich wie immer für Organisation, Sammeln der Etüden und die Grafik.

Neuankömmlinge sind im Kreis der Etüdenverrückten übrigens immer willkommen, auch ohne eigenen Blog!

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Einen leichtsinnigen Moment lang hüpft mein Herz. J. geht auf mich zu, wird mich wohl endlich mit in den unsichtbaren Bannkreis ziehen. Stattdessen brocke ich mir Penny ein.

„Natürlich kann sie mit in meinem Zelt schlafen“, keinesfalls darf ich spießig erscheinen, wäre aber lieber allein, am liebsten zu Hause, denn ich bin verwundet von Liedern am Feuer, vom veganen Festmahl am besänftigend kühlen See, von Feuerspuckern und innig Tanzenden und am schwersten getroffen von meinem Zaungastsein.

Penny ist zurückhaltend, freundlich, schnarcht nicht. Mücken sirren, ich sehne mich heim und nach J. zugleich. Endlich eingeschlafen irre ich durch Träume, denen Erbarmen ein Fremdwort ist.

Ein lautes, seltsam klagendes Tröten weckt mich. Das Handy zeigt 4.38 Uhr.

Penny sitzt verwirrend ausgeschlafen auf ihrem Schlafsack. Kraniche, sagte sie und dann unvermittelt: Kommst du mit Schwimmen?

Schwimmen? Jetzt?

Ich sage nichts.

Sie schlüpft in einen seltsam kindlichen Badeanzug, neongrün, mit Pinguinen drauf.

Ich folge ihr in den Nieselregen. Nach dem strahlenden Tag gestern ist es heute wieder grau und kühl.

Sie kehrt nicht um, sondern läßt sich vom Steg ins Wasser gleiten, behände wie eine Robbe. Komm, sagt sie, es gibt nichts köstlicheres als im Regen zu schwimmen. Die Kraniche jubeln ihr zu. Ein Reiher flappt behäbig über den See. Im Schilf turnen entzückenden Vöglein, deren Name ich nicht kenne. Amseln singen auch.

Endgültig leid, ich zu sein, gleite ich nackt in den See. J. liegt sowieso irgendwo in anderen Armen. Mir bleibt die Luft weg, die Zehen krampfen sich zusammen, bestätigen meine Unvernunft. Trotzig schwimme ich weiter hinaus, neben sie. Der stärker werdende Regen prickelt ein Muster in den See. Penny sagt nichts, lächelt.

Orangerot leuchten Vogelbeeren in der seltsam weichen Luft. Gestreifte Haubentaucherlein reiten auf Mamas Rücken. Ein Fischadler auf einem Pfosten blickt nachsichtig herab.

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11 Gedanken zu “Schwimmen bei Regen (ABC-Etüde)

  1. Christiane März 10, 2019 / 11:22 pm

    „Endgültig leid, ich zu sein“ – das kenne ich auch. Wie ich diese Atmosphären mag, die du zauberst. Wunderbar, auch wenn die Situation eigentlich gar nicht so glücklich ist … bis auf die Haubentaucher.
    Liebe Grüße
    Christiane

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    • fundevogelnest März 11, 2019 / 10:38 pm

      Findest du Haubentaucherfamilien auch so süß?
      Ich habe ja ein bisschen offen gelassen ist, wer J. ist, wieviel Tragik in J’s enttäuschendem Verhalten liegt
      Freut mich, dass die Atmoshäre bei dir angekommen ist.
      Natalie

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      • Christiane März 11, 2019 / 10:52 pm

        Ich habe hier bei mir ja meinen „Teich“, um den ich öfter lustwandele, und dort gibt es im Sommer auch Haubentaucherfamilien. Diese entzückenden kleinen Paddelboote – Eltern mit Kindern auf dem Rücken – ich hab gerade mal geschaut, ob ich auf die Schnelle ein Foto davon finde, leider nein.
        Wer J. ist, ist nicht wichtig, wichtig ist die Enttäuschung, das Außen-vor-Fühlen, und das kommt rüber.

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        • fundevogelnest März 12, 2019 / 8:46 pm

          Ach ja, im Sommer werde ich mir wieder, wenn der Kleine in der Kita ist, ein paar Stunden freinehmen und mir ein Kanu leihen.Haubentaucher, ich komme.

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  2. violaetcetera März 11, 2019 / 9:51 am

    Mir ist beim Lesen genau die gleiche Textstelle wie Christiane hängen geblieben. Ich fühle sehr mit deiner Protagonistin, bewege ich mich doch auch oft außerhalb dieses Bannkreises.

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  3. Ulli März 11, 2019 / 2:47 pm

    Liebe Natalie, mittendrin und doch Zaungast zu sein, das kenne ich auch und auch das Gefühl: „endgültig leid, ich zu sein“ –
    Ich mag deine Etüde sehr, sie ist dicht, zeigt klar wie manche Momente sind und gleichzeitig kann ich alles vor mir sehen, schmecken und riechen.
    Herzliche Grüße
    Ulli

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  4. fundevogelnest März 11, 2019 / 10:41 pm

    Danke.
    Wahrscheinlich kennen die meisten Menschen dieses Gefühl manchmal nicht wirklich dabei zu sein.

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  5. Myriade März 11, 2019 / 11:30 pm

    Ja, dieses Gefühl kenne ich auch, aber das wunderbare Schwimmen im Regen würde mich sehr darüber hinwegtrösten ….. Wunderbar atmosphärisch dein Text ❤ ❤ ❤

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  6. fundevogelnest März 12, 2019 / 8:51 pm

    Ich bin zuversichtlich, dass die Erzählerin auch getröstet aus dem Wasser stieg.
    Das inspirierende Schwimmen (allein und ohne Fest davor …)) fand übrigens im Mirower See statt (Teil der Mecklenburgischen Seenplatte), da gibt es einen Zeltplatz direkt am Wasser. Im Zelt Badeanzug an, schwimmen und sich gemütlich im Schlafsack wieder aufwärmen.
    Besser geht nicht.
    So langsam überwältigt mich die Sommersehnsucht…

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