Die neuen Etüdenwörter, aus denen es einen Text beliebigen Genres mit höchstens 297 weiteren Wörtern zu schaffen gilt, stammen vom Blog Katha kritzelt:
Katzenauge
balancieren
kurios
Ale weiteren Texte, die daraus entstanden sind, finden sich bei Christiane, der aller Dank gebührt für Etüdenpflege, Illustration und eigene schöne Texte.
Der Pinguin ist weg. Unter dem Bett stehen staubige Kartons, überall liegt etwas herum. Tante Finja und Lena finden Stifte, Postkarten, eine irgendwie versteinerte Apfelsine, tausend Wollmäuse und keinen Pinguin.
Dann heult Lena, aber richtig, kann gar nicht aufhören, mit neun wegen eines Stofftiers. Tante Finja kriecht unter dem Schreibtisch vor, so eine Lappalie hätte Mama geschimpft, komm‘ wieder raus, wenn du dich eingekriegt hast.
In Tante Finjas Armen kriegt sie sich nicht wieder ein, sie weint bis jeder Schluchzer schmerzt, weine nur, weine alles hinaus, schließlich ist da nur noch Leere und eine geblümte Papierserviette, weil Finja die Taschentücher nicht findet.
Weißt du es ist etwas besonders mit dieser Wohnung. Dinge verschwinden und tauchen an ganz kuriosen Orten wieder auf. Als borgte einer sie sich aus und gäbe sie stillschweigend zurück. Du bekommst ihn sicher zurück.
Die Tante kocht Tee, liest vor. Kannst du jetzt schlafen?
Lena nickt und kann nicht. Sehnt sich nach Mama, sehnt sich nach Jenna, dem süßesten Schwesterlein in ihrem eisekalten Bettelein.
Wieder hallen Mamas schrille Schreie in ihrem Ohr: Atme, atme! Das Martinshorn, die vielen Leute, Papas starres Gesicht, als er sie zur Tante fährt.
Sie balanciert zwischen Leben und Tod, sagt Papa zu Finja, und erzählt dass Jennas Bett ganz kalt ist.
Mit drei Monaten ist man zum Balancieren noch viel zu klein und zu Hause war Jennalein immer zugedeckt und hatte kuschelige Mützen auf. Dringend braucht Lena das Pinguinfell, um darin herumzuwuscheln, beim Seufzen spürt sie ihre Tränen steigen. Da tippt sie etwas an. Zwei gelbe Katzenaugen vor ihrem Gesicht. Kati schnuffelt an Lenas Tränen, legt sich hin, duldet schnurrend Hände in ihrem Fell.
Als die Tante ins Zimmer tritt, stellt Lena sich schlafend.
Oh, du wunder-wunderbare Katze, sagt Finja und seufzt. Dann schiebt sie den abgewetzten Pinguin sanft unter Lenas Hand.
Zwei Anmerkungen:
Diese Etüde entstand in Anlehnung an eine längere (ca 120 Seiten) Geschichte Tante Finja und die Kobolde, den ich vor ca. 15 Jahren schrieb.
Die Senkung der Körpertemperatur auf ca. 34 Grad Celsius ist eine etablierte Therapie in den ersten 72 Stunden nach einem schweren Sauerstoffmangel, verringert die Hirnschädigung, ist aber sehr belastend für alle Beteiligten.
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Die macht mir einen Kloß im Hals, deine Etüde.
Meine Katze ist auch so, ich kenn das gut.
Mögen die Jennas dieser Welt heil werden und möge immer auch genug für die Lenas da sein. Und Pinguine.
Und Katzen.
Liebe Grüße
Christiane, sehr berührt
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Ich hatte beim Schreiben auch einen Kloß im Hals.
Aber wenn man da arbeitet, wo sich solche Geschichten häufen, wollen sie auch mal raus.
Liebe Grüße
Natalie
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Kühlung auf ca. 34 Grad Celcius ? Hast du dich da vertippt oder ist das eine Kühlung von einer noch heißeren Temperatur herunter? Auf jeden Fall ein sehr schöner, sanfter Text.
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Ich habe mich nicht vertippt, sondern ungenau ausgedrückt: Gemeint ist die Körpertemperatur, ich änder das mal eben im Text.
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Ach so, ja, davon habe ich schon gehört. Da gab es einmal einen sensationellen Fall irgendwo in Kärnten. Ein Kind , das im eiskalten Wasser eigentlich ertrunken war, konnte reanimiert werden … Danke!
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Tatsächlich ist diese Therapie wohl mal aus der Erkenntnis entwichkelt worden, dass es Überlebenden von Ertrinken im Winter deutlich besser geht, als denen, denen dieses Schicksal im Sommer widerfuhr.
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Sehr traurig. Für Kinder ist so etwas noch unverständlicher als es bereits für Erwachsene ist.
Ich mag die Ruhe mit der du diese Hilflosigkeit rüberbringst.
Grüße, Katharina
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Und doch müssen das viele Kinder aushalten, zu einem Zeitpunkt, an dem niemand Zeit und Kraft für sie hat.
Ihnen allen wünsche ich eine Tante wie Finja
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Sehr traurige Geschichte. Erinnert mich an die kalte, kalte Augustnacht auf der Intensivstation neben meinem Mann, dessen Körpertemperatur aus den von dir genannten Gründen herabgesenkt worden war. Wie sich zeigte, nützt das leider nicht immer. Es war unsere letzte Nacht.
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Nein, es es nützt nicht immer.
Die Medizin vermag keine Wunder.
Immer wird es unendlich traurige Geschichten geben.
Sei lieb gegrüßt
Natalie
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Wunderbar geschrieben, wenn auch mit großer Traurigkeit gelesen, dieses Leben …
Herzensgrüße an dich,
Ulli
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Oh je, ich möchte nicht in der Haut dieser Familie stecken. Da brauchen wohl alle einen Pinguin, oder eine so einfühlsame Katze. Tiere können schon sehr gut trösten.
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Niemand möchte das erleben. Beim plötzlichen Kindstod kommt noch hinzu, dass die Familie oft beschuldigt wird, Verantwortung für das Schreckliche zu tragen.
Schön , wenn dann wenigstens die Katze einfühlsam ist.
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