… sind wir am vergangenen Wochenende.
Erst war der Samstag so ein Tag gewesen, den man am liebsten schnell verstreichen sähe. Irgendwie Halsschmerzen, ohne krank zu sein, ein Huhn, das auch nicht krank gewesen war, sondern plötzlich tot auf seinen Eiern lag, quengelige, streitlustige Kinder, betrüblich, unentschlossen, missgelaunt wie manche Tage halt sind.
Jetzt aber doch noch raus, beschließe ich gegen 17 Uhr, sonst werden wir hier alle vollends unleidlich. Dann fiept das Telefon, will eine SMS loswerden, die Nummer kenne ich nicht. Hallo, neben der Eissporthalle hängt ein Bienenschwarm im Baum, vielleicht sind es auch Wespen LG …
Wespen sind das um diese Jahreszeit nicht. Im Mai kommen Bienenanrufe. Die Wespenanrufe kommen im August.
Bienen schwärmen, um sich zu vermehren. Wenn sie im Frühjahr viele Nachkommen haben und der Raum im Stock eng zu werden droht, ziehen sie neue Königinnen heran. Kurz bevor diese schlüpfen, zieht die alte Königin mit einem Großteil der flugfähigen Bienen an einem sonnigen Tag aus dem Stock aus und sucht sich ein neues Zuhause.
Ein schwärmendes Bienenvolk ist ein einzigartiges Naturschauspiel. Sie haben kein Zuhause, keine Brut, keinen Honig zu verteidigen. Sie sind vollkommen friedfertig und stechen höchstens in ganz verzweifelten Situation, wenn sie zum Beispiel eingequetscht werden.
So kann man ohne Schutzkleidung und fasziniert mitten in einer Wolke Bienen stehen, die einen umfließen wie ein Element, der Himmel ist von abertausenden flitzenden Pünktchen bedeckt, die ganze Luft summt und brummt.
Nach einer Weile sammelt sich das ganze Volk zu einer Schwarmtraube, die die Königin fest umschließt. Von dort ziehen Kundschafterinnen aus und suchen nach einem geeigneten neuen Zuhause.
In der konventionellen Imkerei gilt Schwärmen als Unfall, den es zu vermeiden gilt, indem man Königinnenzellen ausbricht und die Völker rechtzeitig teilt. Abgeschwärmte Völker produzieren nichts, bis die neue Königin geschlüpft ist und ihren Hochzeitsflug vollzogen hat.
Mich – die ich Honig nur für den Eigenbedarf haben will – hat die Idee der wesensgemäßen Imkerei überzeugt, zu der gehört die Bienen schwärmen zu lassen, wenn sie schwärmen wollen. Ein Schwarm lässt Parasiten wie die gefürchtete Varroamilbe hinter sich zurück und auch das abgeschwärmte Volk, das bis die neue Königin ins Geschäft einsteigt, ein brutfreies Intervall erlebt, reinigt sich. Allerdings muss diesers Schwärmen begleitet werden, denn ein heimatloser Bienenschwarm hat in einer Stadt wenig Chance einen hohlen Baum zu finden und sich darin einzurichten, häufiger müssen sie letzlich von Kammerjägern aus Gebäudefassaden und Rollladenkästen entfernt werden.
Unsere Bienen wollen gerade gar nicht schwärmen, keine Königinnenzelle sind zu sehen, sie haben noch Platz. Der Schwarm muss von woanders kommen.
Dreimal umrunden wir die Eissporthalle, es brummt, es summt, es hört sich wirklich fast an wie ein Schwarm, ist aber die Klimaanlage der Eissporthalle. Gerade als wir enttäuscht die Suche aufgeben wollen, meldet sich die freundliche Schwarmentdeckerin noch einmal und wir finden sie:
was für eine Pracht
(Da die Frau Fundevogel nie ihre Kamera dabei hat, wenn es was zu fotografieren gibt, verdanken wir dieses und alle weiteren Fotos der Geschätzten Mitimkerin!)
Man erkennt es auf dem Foto vielleicht: Der recht dünne Ast, an dem der Schwarm hängt, ist vermutlich unter dessen Gewicht gebrochen und der Schwarm hängt nun unten an der ehemaligen Spitze in knapp 2,5 m Höhe.
Das ist unser Glück, denn wenn sie in der ursprünglichen Höhe geblieben wären, hätten wir nur noch die Feuerwehr holen können.
Von der Bergung des Schwarms gibt es keine Fotos, da wir alle Hände zu tun haben. Die Geschätzte Mitimkerin als die deutlich größere von uns beiden steht auf der Leiter, die ich fest halte und der Kleine Fundevogel wuselt um uns herum. Die aufgeregte Schwarmfängerin besprüht den Schwarm mit etwas Wasser aus einem Wäschesprenger und fegt dann das ganze Volk in eine Kiste. Sobald die Königin in der Kiste ist, folgt ihr ganzer Hofstaat freiwillig nach, so ist möglich, was unmöglich erscheint, nämlich ca. 25.000 flugfähige Insekten in einen einzigen Karton zu bugsieren.
Wir finden nicht heraus, wem sie gehören, ob sie ein „Schwarmunfall“ oder ein beabsichtigter Schwarm sind. Wo immer sie her kommen, es findet sich niemand, der sie vermisst.
Also tragen wir das brummende Kleinod von Bienen umschwärmt nach Hause.
Nach einer Nacht im Karton folgt Sonntagmorgen der Einzug:
vorsichtig auf ein Tuch geschüttet, machen sich erste Kundschafterinnen auf den Weg, die anderen trippeln und fliegen unentschlossen herum, und auf einmal beschließt der ganze Schwarm: Wir nehmen die angebotene Wohnung.
Dieses plötzliche gemeinsame Losziehen ist ein sehr ergreifender Augenblick.
Es sind wirklich sehr viele, leider gelingt es uns nicht die Königin im Strom auszumachen. Sie ist offensichtlich nicht gekennzeichnet, scheint also eher nicht aus professioneller Imkerei zu stammen.
Es kommt zu Staus, aber nach gut drei Stunden ist der Einzug beendet.
Sie wissen, was sie tun, nur die Menschen sind aufgeregt und müssen dauernd etwas nachschlagen:
Auch der Kleine Fundevogel fühlt sich unter Bienen wohl.
Nachdem alle anderen gegangen sind und nur der Kleine Fundevogel und ich noch im Garten sind, wird das Summen auf einmal wieder lauter. Ich wundere mich, weshalb auf dem Weg zur Regentonne plötzlich Bienen gegen mich fliegen. Wird das jetzt immer so sein, mit diesen Neuen? Das wäre lästig.
Erst da begreife ich: Sie schwärmen noch einmal!
Alles was mühsam in den Stock gewandert ist, ist wieder in der Luft.
Hat ihnen die Bienenkiste doch nicht gefallen?
War alles umsonst? Wohin werden sie fliegen?
Werden wir sie ein zweites Mal einfangen können?
Doch was immer sie zu diesem Ausflug bewegt hat, nach gut einer Stunde kehren sie von sich aus in die Kiste zurück.
Und sind seither geblieben, werden gefüttert über die Regentage, bauen ihr neues Heim fleißig aus, vermutlich legt die Königin schon wieder Eier.
Einen Namen haben sie mittlerweile auch:
Cratageus Crocodiles.
Nach dem Weißdorn. Und dem Eishockey Team der Eissporthalle.
Bleibt uns gewogen, ihr lieben Bienen.
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Wow, ein ergreifender Bericht, der richtig Freude macht!
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Das freut mich nun wiederum sehr.
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Das ist toll, als Ereignis überhaupt ein Wunder, als Erlebnis noch so gut beschrieben vermutlich trotzdem nicht so emotional erfüllend vorzustellen, wie es gewesen sein muss.
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Ja, wobei einen Schwarm einfangen und ein kleines Kind beasufsichtigen einen auch so beschäftigt, dass für Emotionen nicht soviel Raum bleibt.
Am tollsten war der erste Blick auf den Schwarm im blühenden Weißdorn.
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Super spannend. Danke für den Einblick in dieses Abenteuer und dass du dich so gut um die Bienen kümmerst. 🙂
Grüße, Katharina
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Beeindruckend und mit viel Herzblut geschrieben. Ich hoffe auch, die Bienen bleiben bei euch.
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Nach nun einer Woche dürfen wir wohl davon ausgehen. Die ersten Regentage waren hart für sie, ohne Futter wären sie wohl verhungert, einige lagen trotz Fütterns tot mit ausgefahrenem Rüsselchen vorm Stock, dann hungern sie wirklich.
Nun aber können sie Nektar sammeln, bauen eifrig Waben, tragen Pollen ein, was ein Zeichen dafür ist, dass sie schon Nachkommen haben.
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Was für eine Wissenschaft, dieses Bienenvolk! Beeindruckend und vielen Dank 🙂
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Ja, die Bienenwelt ist eine ganz eigene und besondere Welt.
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Ach, ist das schön! Danke fürs Teilen und viel Glück allen Beteiligten (sind ja ziemlich viele)! 😀
Liebe Grüße
Christiane
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Es gibt unter Imkern die Auffassung ein Bienenvolk als ein Wesen zu erfassen, den „Bien“, die Arbeiterinnen wären dann die Körperzellen, die Drohnen die männlichen und die Königin das weibliche Geschlechtsorgan.
Von selbst wäre ich auf so eine Idee eher nicht gekommen, es fällt einem so aber leichter die doch relativ vielen toten Bienen die ich z.B.am nächsten Tag von dem weißen Tuch schütteln musste zu akzeptieren.
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Wirklich toll! Schöner Bericht von dir – wir scheinen da was gemeinsam zu haben 😀
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Leider ist dieser schöne, starke, 3,5 kg schwere Schwarm später eingegangen.
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OHJE, weißt du warum?
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Am Ende waren sie definitiv drohnenbrütig.
Vermutlich ist die Königin sehr früh, zu früh um eine Nachschaffungskönigin zu ziehen, verstorben.
Nachdem sie erst ratzfatz fünf schöne große Waben genbaut hatten, stagnierte alles.
Wir haben wegen der großen Hitze und des empfindsamen jungen Wabenwerks lange nicht aufgemacht und die Bescherung erst spät im vollen Umfang erkannt. Ein „komisches Gefühl“ war aber die ganze Zeit da, ihnen fehlte die Vitalität, die so ein großer Schwarm erwarten lässt
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Verstehe – mir ging es ähnlich mit meinem ersten Volk …danach kam ich mir irgendwie schlecht vor, weil ich so unwissend war …aber zumindest darf man aus Fehlern lernen.
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