Drei Wörter in einem höchstens 300 Wörter langen Text – Christianes Schreibeinladung ist immer wieder eine Herausforderung.
AliceWortspende (Grippe, gebleicht, knuddeln), die schön zur derzeitigen Erkältungswelle passt, nutze ich dieses Mal, um aus dem Nähkästchen Desinfektionsmittelfläschchen zu plaudern.
Alle anderen Endzeitdramen und Erkältungspossen finden sich bei Christiane, die auch die Illustration zur Verfügung gestellt hat, die Fotos unterm Text stammen von meinem Arbeitsplatz.
Wir könnten Hamid zu Olga schieben, die ist nicht mehr ansteckend.
Nicht zu diesem Schreikind, da kommt der gar nicht mehr zur Ruhe.
Und wenn wir Melody und Karl in ein Zimmer…
Karl hat einen MRGN 2, dafür ist Melody zu klein.
Wir müssten Nico dringend aus dem Dreierzimmer rausbekommen, aber solange es dem so schlecht geht…
Hört mal, aus der Ambulanz kommt gleich ein Kind, zwei Monate, RSV-positiv.
Neun Zimmer für achtzehn Patienten, an fast jeder Tür klebt ein laminiertes Stoppschild neben dem Desinfektionsmittelspender, daneben Wagen beladen mit gelben Einwegkitteln, Mundschutz und Einweghandschuhen in drei Größen
Neben kranken Kinder logieren hinter den Schildern MRGN 2,3 und 4, MRSA, RS-und Noroviren, Grippe, manchmal auch Tuberkulose, Neisseria menigitidis und Pseudomonas aeroginosa. Hauptsache keine Serratien, die immer mal wieder ganze Säuglingsstationen medienwirksam zur Schließung zwingen. Damit die Eltern mit ihren Kindern knuddeln können, dürfen sie unverhüllt zu ihnen – es sei denn ihre Kinder sind stark abwehrgeschwächt -um nichts weiterzutragen, ziehen sie außerhalb der Zimmer Schutzkleidung an, blaue Kittel dann, um nichts durcheinander zu kriegen. Blaue Fetzen flattern in allen Gebüschen um die Klinik herum.
Um keine Keime zu verschleppen und die Schutzlosesten zu schützen, die deren Immunsystem so durchscheinend ist wie ihre Haut, die weniger als 1500 g auf die Waage bringen und sich einen Großteil der Krankenhausinfektionen aufsacken, ist eine permanente Logistik erforderlich, ohne unsere mies bezahlten Superputzfrauen wären wir arbeitunfähig.
Manche Keime verschwinden: Als ich lernte, gab es noch Kolleginnen, die Polio und Diphterie persönlich kannten, die mit Chlor gebleicht und Mehrwegspritzen aufbereitet hatten.
Genauso veteranenmäßig höre ich mich wohl an, wenn ich Jüngeren von dramatischer Luftnot erzähle, verursacht durch den inzwischen durch Impfung verdrängten Hämophilus influenzae, während unser Winterdauergast RSV unbekannt war.
An der Pinnwand hängen seit zwei Wochen drei handschriftliche Zeilen: Vorgehen bei Verdacht auf Corona.
Das schaffen wir auch noch.
Schwester, schieben Sie bitte eben schnell um …
Ich freue mich immer über Likes und Kommentare zu meinen Texten, muss aber darauf hinweisen, dass WordPress.com – ohne dass ich daran etwas ändern könnte — E-Mail und IP-Adresse der Kommentierenden mir mitteilt und die Daten speichert, verarbeitet und an den Spamerkennungsdienst Akismet sendet. Ich selbst nutze die erhobenen Daten nicht (näheres unter Impressum und Datenschutz). Sollte das Löschen eines Kommentars im Nachhinein gewünscht werden, bitte eine Mail an fundevogelnest@posteo.de, meistens werde ich es innerhalb von 48 Stunden schaffen dieser Bitte nachzukommen.
Kein bisschen Fiktion, voll realistisch. Wegen mancher Einzelheiten könnten einem die Haare zu Berge stehen…
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Nein, dieses Mal wirklich gar keine Fiktion.Meine Kollegin nutzt heute das schöne Wort „keimgestresst“.
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Oha – bist du Medizinerin, oder ist das alles extra recherchiert?
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Das war einfach eine Beschreibung meines Arbeitsalltags. Als ich meinen Beruf erlernte, hieß er noch Kinderkrankenschwester, heute sind wir Pflegefachkräfte. Im oben genannten Keimzoo arbeiteich nun schon über dreißig Jahre. Fundevogelbedingt allerdings nur zehn Stunden die Woche.
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Also tatsächlich Medizinerin im Pflegebereich. Hut ab, klingt höchst anspruchsvoll, physisch, psychisch und kognitiv gleichermaßen.
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Puh, da schüttelt es mich!
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Was jetzt genau? Der Keimzoo? Oder die miese Bezahlung der Reinigungskräfte?
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Beides. Die Geschichte hat mich daran erinnert, wie mein Neffe in den 60er Jahren eine Hirnhautentzündung hatte, die erst sehr spät entdeckt wurde und er beinahe dran gestorben war.
Wenn es Kinder erwischt ist es immer besonders tragisch.
Und gerade im Fernsehen bei KONTRASTE war dieses Thema auch: Abweisung von Kleinkindern in der Charité in Berlin, weil das wenige Personal einfach überlastet ist.
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Ich hoffe der Neffe ist wieder ganz gesund geworden, gerade bei Säuglingen sind die Symptome ja oft sehr diffus.
Patienten ablehnen oder nicht ablehnen ist wohl eine Diskussion , die keiner Klinik erspart bleibt. Bei „uns“ wird fast niemand abgelehnt, weshalb wir oft an die Grenzen unserer Kapazitäten kommen, das ist dann auch nicht schön.
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Nein, er ist gut behandelt worden und ganz gesund geworden.
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Ach du lieber Himmel. Ich habe erst mal die Suchmaschine angeworfen, um zu verstehen, wovon du sprichst. Die armen Würmchen. Und ihr, also du, seid da wohl auch nicht wirklich zu beneiden.
Ja, Corona, das Damoklesschwert, das wohl scheinbar woanders niedersaust.
Du klingst erfahren und ein bisschen müde, wenn ich das sagen darf. 😉
Liebe Grüße
Christiane 😁☕🍪👍
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Nun das war auch eine Etzüde über einen der ermüdensten Aspekte von unserer Arbeit, von den Arbeitszeiten und der Personalsituation mal abgesehen.
Sonst ist es ein schöner Beruf, eine praktische Arbeit, bei der man dennoch geistig stark gefordert ist und Verantwortung hat, man erhält Einblick in die unterschiedlichsten Lebenswelten, lernt viele Menschen kennen. Wenn man genug Zeit hat, ist Pflege sehr erfüllend, und sinnvoll ja irgendwie auch.
Und gerade mit größeren Kindern kann man auch ziemlich lustige Sachen erleben.
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Und du hast wirklich den ganzen Zoo recherchiert? Donnerwetter, gut dass mir nicht noch mehr eingefallen sind 😉
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Na ja. Ich saß vor den Abkürzungen und hab mich erst mal am Kopf gekratzt und „hä?“ gesagt. Dann hab ich die Suchmaschine angeschmissen und ziemlich schnell „ach so“ gesagt. Ich wollte ja keine Details kapieren, sondern nur wissen, mit was du dich da so rumschlägst. 😉
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Interessant, wie sich das Arbeiten in der Medizin so im Laufe der Zeit verändert hat und sicherlich auch weiter verändern wird. Aber es bleibt ein beständiges Wachsam sein, so hört sich das zumindest an.
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Anlässlich meines letzten Umzugs habe ich alle medizinischen Lehrbücher aus meiner Ausbildung weggeworfen, bis auf das Anatomiebuch, die wird sich wohl zu meinen Lebzeiten nicht mehr ändern.
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Krass, es ist immer spannend, wenn auch nicht schön, auf der anderen Seite zu stehen. Vor corona habe ich keine Angst, es werden immer wieder Pandemien ausgerufen und dann passiert eben nichts. Glücklicherweise.
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Man kann ja eh nur abwarten.
Schweinegrippe war ziemlich heftig, da haben wir leider auch ein Kind verloren.
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Das ist schrecklich
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Ja, jedes Mal.
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Sehr eindrucksvoll, sowohl die Etüde, als auch deine Kommentare darunter zu lesen.
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Wahrscheinlich geht es den meisten so, man ist so an seine Areit gewöhnt, dass man erstaunt ist wie besonders sie anderen vorkommt.
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