Langsam wird so manches besser. Die Feen tanzen wieder und der Kleine Fundevogel ist in der Kita zwar noch immer nicht erwünscht – aber der Bauspielplatz hat zumindest für sechs Kinder gleichzeitig wieder offen. Zwei Stunden am hellichten Tage ohne jede Verantwortung – meine Ohren klingen noch immer von dieser Stille und der Kleine Fundevogel schläft angefüllt mit Seligkeit.
Für alle, die jetzt erst einsteigen: Hier fängt die Geschichte an und geht dann fortlaufend nummeriert weiter:
Am Feenpollen würde Julian sich niemals satt sehen können. Achilleas neuer Zauberstab stäubte vorzüglich. Leichter Wind strich durch das Laub.
„Und nun? Ich hör nix“, beschwerte sich Dennis, der wohl genau wie Julian insgeheim einen anspringenden CD-Player erwartet hatte.
„Höre!“ sagte Filipendula freundlich. „Höre mit Bedacht“.
Die Blätter des Quittenbaumes schienen zu filigranem Glas geworden zu sein, im sanften Wind erklangen sie wie tausend Glöckchen. Das Gras war zum einem Glockenspiel geworden, welches ein unsichtbarer Musiker kunstvoll zu spielen verstand.
„Kreck-kreck-kreck“.
Das Teichhuhnpaar von gestern kehrte zurück. Es schwamm an den Rand des Teiches wie ein Paar Konzertbesucher, das in der ersten Reihe Platz nahm. Am hinteren Teichrand versammelten sich wie zufällig ein paar Kaninchen. Im Quittenbaum landete eine Amsel, nahm die Melodie der Blätter auf und verwob sie mit ihrem kunstvollen Gesang. Über den neuen Wassern erhoben sich die Feen.
„Da. Mama. Da“, sagte Othello. Dann verstummte auch er und starrte mit großen Augen auf den Reigen der Feen. Elegant und lautlos glitten die kleinen Leiber durch die Luft wie Fische an einem Korallenriff. Ihre glitzernden Haare und die langen Kleider wallten gleich Schleiern hinter ihnen her.
Nach dem warmen Tag stieg Feuchte aus der Wiese. Süß duftete die aufgeworfene Erde und das frische Gras. Weiß schimmerten die Blüten des Wiesenkerbels in der hineinbrechenden Dunkelheit. Verzaubert und verwundet von soviel Schönheit, hätte Julian nicht sagen können, ob die Feen fünf Minuten oder fünf Tage getanzt hatten. Es schien keine Zeit mehr zu geben. Selbst Jo fiel nicht ein ihr Handy oder ihre Armbanduhr anzusehen. Sie stand hinter Julian und hatte beide Arme fest um ihn gelegt.
Es war fast dunkel, als die Tänzerinnen sich auf einem Zweig niederließen. Die Amsel verstummte und flog mit rauschenden Flügeln davon. Die Bewegungen der Blätter und Zweige wurden wieder zu Geräuschen. Raschelnd und schnaufend verschwand ein Igel, der mit ihnen geschaut und gelauscht haben musste. Wolfgang verbeugte sich stumm. Weder Herr Börner, noch Jo oder die schwatzhaften Zwillinge sagten etwas. Selbst Kaiser trabte stumm zum Schröterhaus. Die Menschen folgten ihm. In wortlosem Einverständnis transportierten sie die Reste des Festmahles ab.
Julian konnte sich nicht vorstellen jemals Worte für soviel Schönheit zu finden. Sanft liebkoste die Abendkühle seine nackten Arme und Beine. Ein kleiner Schwarm Fledermäuse huschte über die neue Wasserfläche.
„Julian, mein Rotkehlchen, lass uns nach Hause laufen. Ich mag nicht Autofahren.“
Hand in Hand gingen sie durch die fast leeren Straßen.
„Bis morgen.“
Dennis und sein Vater bogen in ihre Straße ab. Auch sie ganz nah beieinander und wortkarg wie nie.
„Bis morgen“
Die Huvv-Gang würden sie heute bestimmt nicht mehr aus dem Fernseher lassen.
Als sie fast am Joromo waren, fragte Julian leise: „Mama?“
„Ja, mein Rotkehlchen“
„Was hast du dir eigentlich als drittes gewünscht?“
„Ein Kind. Dich. Du warst mein größter Wunsch.“
Julian dachte an seinen entlaufenen Hammelvater und an die Trauer in Jos Augen, wenn sie über Julian Vögelchens lebensgefährliche Zeit im Brutkasten sprach. Wünschen war schwer. Sie drückte ihn an sich.
„Diesen Wunsch hätte Ortiga nicht besser erfüllen können.“
Über dem Joromo stand der fast volle Mond, goldgelb wie eine reife Frucht.
Ich freue mich immer über Likes und Kommentare zu meinen Texten, muss aber darauf hinweisen, dass WordPress.com – ohne dass ich daran etwas ändern könnte — E-Mail und IP-Adresse der Kommentierenden mir mitteilt und die Daten speichert, verarbeitet und an den Spamerkennungsdienst Akismet sendet. Ich selbst nutze die erhobenen Daten nicht (näheres unter Impressum und Datenschutz). Sollte das Löschen eines Kommentars im Nachhinein gewünscht werden, bitte eine Mail an fundevogelnest@posteo.de, meistens werde ich es innerhalb von 48 Stunden schaffen dieser Bitte nachzukommen
Schöööön… snief. Schnäuz.
LikeGefällt 1 Person
Freut mich, es ist aich mein Lieblingskapitel.
LikeGefällt 1 Person
Jetzt habe ich doch glatt ein Tränchen verdrückt. Ich finde es wundervoll, wie sich alles zusammenfügt.
LikeGefällt 1 Person
Die Macht haben nur wir Geschichtenerzählerinnen, alles sich zusammenfügen zu lassen.
Warum sollten wir sie nicht nutzen?
LikeLike