Jahreswechselrotkehlchen

 Die Kobolde
 mopsten die Weihnachtsschokolade.

 Die Motten
 nagten Löcher in den Schlaf.
 
 Und die Nachtgespenster
 flogen mit der Hoffnung davon.
 
Das Rotkehlchen  
 zwitschert unbekümmert,
 balanciert
 auf dem schmalen Neujahrsrand.
 

Rotkehlchen also haben mich sanft in das neue Jahr geleitet.

Ich hatte gehofft, sanft an den Kleinen Fundevogel gekuschelt nach 2021 hinüberschlafen zu können, aber da hatte ich meine Nachbarschaft unterschätzt. Anderswo habe ich von stillen Jahreswechseln gehört, hier zeigte man solchem Ansinnen einen gewaltigen Stinkefinger. Wurden die Raketen ein Jahr unter dem Bett gehortet oder aus wo auch immer über die Grenze gebracht.

Unser Stadtteil ist international gut vernetzt und das ist einer der Gründe gern hier zu wohnen.

Aber ich konnte den vollen Mond zwischen den Raketen sehen und das ist etwas, was seit vielen, vielen Jahreswechseln nicht mehr möglich war. Und gegen ein Uhr war Schluss.

„Letzte Silvesternacht hatten wir zehn Kinder mit Böllerverletzungen, dieses Jahr nur eines!“, erzählte mir der Oberarzt, mit dem außer mir kaum einer zusammenarbeiten mag, am Neujahrsmorgen. Im Laufe des Tages kam dann doch noch eines hinzu.

Das erste Rotkehlchen sah und vor allem hörte ich an diesem Tag gegen fünf Uhr dreißig. Es saß auf einem Zaun und macht ein Mordsspektakel, völlig angstfrei sah es mir zu, wie ich mein Fahrrad anschloß.

Dem zweiten Neujahrsrotkehlchen begegnete ich gegen Mittag vor unserem Haus. Es saß kerzengerade auf einer Rhododendronknospe. Wer solches kann, balanciert auch angstfrei auf dem schmalsten Rand. Natürlich hatte ich keinen Fotoapparat parat und wie Vögel nun mal sind, hätte es wahrscheinlich sowieso in dem Moment, in dem ich es scharf gestellt hätte, die Flügel ausgebreitet.

Ich bewahre es in meinem Herzen und nehme mir vor zart und mutvoll in dieses Jahr hineinzugehen.

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10 Gedanken zu “Jahreswechselrotkehlchen

  1. Wolfram Januar 5, 2021 / 10:10 pm

    Rotkehlchen scheinen mir alle vom Stamme Ohnefurcht zu sein.

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    • fundevogelnest Januar 5, 2021 / 11:06 pm

      Ja mir auch, erstaunlich wenn man bedenkt wie zart sie sind.

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  2. Myriade Januar 6, 2021 / 12:45 am

    Zart und mutig ist eine sehr schöne Kombination !

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    • fundevogelnest Januar 6, 2021 / 9:28 pm

      Ich empfinde mich ja oft als eher plump und manchmal ganz schön feige. Da kann so ein Rotkehlchengeist nicht schaden.

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  3. stachelbeermond Januar 6, 2021 / 8:16 am

    balanciert auf dem schmalen Neujahrsrand finde ich sehr schön.
    Bei uns wurde auch erstaunlich viel geböllert. Wo das wohl alles herkam?

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    • fundevogelnest Januar 6, 2021 / 9:32 pm

      Ich wundere mich hier eigentlich das ganze Jahr darüber, wo so viele Böller herkommen.
      Irgendjemand böllert hier JEDE NACHT um 24 Uhr, von Januar bis Dezember.
      Genauso eine geheimnisvolle Person, wie diejenige die immer oben und unten aufgeschnittene (hässliche, nichtssagende) Tüten und Konservendosen über SÄMTLICHE Pfosten etc. im Stadtteil schiebt.
      Ich lebe in einer geheimnisvollen Gegend.

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      • stachelbeermond Januar 6, 2021 / 10:05 pm

        Hmmm… das ist zwar sehr lästig für dich, aber auch sehr interessant! 🙂 Konservendosen, sagst du? Hmmm…

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        • fundevogelnest Januar 6, 2021 / 10:14 pm

          Lästig ist es nicht, die Böller höre ich nur, wenn ich sowieso noch wach bin und die Konservendosen und — häufiger — Tüten muss weder ich noch sonstwer wegmachen … macht auch keiner … aber was ist die Botschaft? Darüber zerbreche ich mir seit Jahren immer mal wieder den Kopf 🙂

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  4. Pega Mund Januar 6, 2021 / 6:19 pm

    oh, bei uns war auch überraschend deutliches geböller – hielten wir dagegen mit trompetenspiel und singstimmkraft punkt mitternacht. viele nacchbarInnen öffneten die fenster, kamen heraus auf die straße, prosteten uns zu … das war berührend. ja, und wunderkerzen hatte ich …
    zart und mutvoll: das ist sehr schön gesagt, danke!

    möge das jahr zart umgehen mit ins menschen – und wir mutvoll mit ihm … 🌺✨🍀

    liebe grüße: pega❣️

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  5. fundevogelnest Januar 6, 2021 / 9:38 pm

    Oh Singen und Trompetenschall, das war bestimmt wunderschön.
    Unsere Wunderkerzen hatten wir schon bei der weihnachtlichen Gartenparty mit den Großeltern aus Leidenschaft verbraucht.
    Eine Nachbarin hatte die Idee mit ihren zahlreichen Glocken draußen zu läuten. Aber da ich um 4.30 h aufstehen musste, habe ich auf diese schöne Idee verzichtet.
    Aber nur deswegen ist mir das erste Rotkehlchen begegnet.
    Ebenfalls liebe Grüße
    Natalie

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