Herr M. (ABC-Etüde)

Damals wohnten noch viele dauerhaft in der Schrebergartenkolonie, Behelfsheime nannte man das. Unser Garten war nur Hobby und ich habe die Kinder in den Behelfsheimen immer beneidet, weil sie sozusagen nie nach Hause mussten.

Am Ende der Kolonie, direkt neben dem Parkplatz wohnte Herr M. mit seinen Kaninchen. Ein kleiner, rundlicher Mann mit einem Dackelfaltengesicht, wie meine Mutter sagte.

Wir liebten die Kaninchen, wir liebten Herrn M. und seine Hütte, in der es fruchtig nach eingelagerten Äpfeln roch

Manche Eltern in der Kolonie waren zu eingesponnen in ihre Sorgen, um die Sorgen ihrer Kinder wahrzunehmen. Herrn Ms freundliche Mahnung Halt die Ohren steif löste keine Probleme, aber seine tiefe Anteilnahme half eben doch.

Weiterlesen

Krik und Krak

Als anständiges Nest liegt das Fundevogelnest hoch oben zwischen den Kronen der Hainbuchen, Birken und Ahornbäumen. Dementsprechend sind unsere nächsten Nachbarn Blaumeisen, Amseln, Eichhörnchen, Elstern, Eichelhäher und Ringeltauben. Dass auf dem Fundevogelbalkon eine stets frische Wasserschüssel bereitsteht und meist ein paar Leckereien zu finden sind, hat sich herungesprochen. Die Eichhörnchen hopsen manchmal neugierig zum Fenster oder zur geöffneten Balkontüre herein. Die beiden Ringeltauben aber sind unsere treusten Gäste.

Wenn sie auf dem Balkon landen, dröhnt leise das Geländer. Ihr dunkles Gurren ist der Soundtrak unsere Sommerabende.

Wenn ich vom Schreibtisch durch die Balkontür schaue oder auch aufstehe, fliegen sie nicht auf, sondern schauen entspannt zurück.

Weiterlesen

Die Verschwörung der Dinge (ABC-Etüde)

Die neue Ärztin, so eine mit einem Zopf, aus dem keine einzige Strähne zippelt, behauptet ich würde dement.

Das ist Blödsinn. Ich war immer so. Von Anfang an haben mir die Dinge den Krieg erklärt.Trotzdem habe ich studiert, im Ausland gearbeitet, eine Tochter großgezogen, Bücher geschrieben, einen Bioladen geführt…

All das ist mir ohne nachhaltige Katastrophen gelungen und ich sage Ihnen, das war ein hartes Stück Arbeit.

Weiterlesen

Leerdrehende Glucke

364 Tage ist es nun her, dass ich diesen Blogbeitrag zum sechsten Fundevogelgeburtstag verfasst habe, nun steht wieder ein Kuchen im Ofen und ich warte händeringend auf ein Paket, das morgen gerne im Geschenkpapierkleid auf dem Frühstückstisch stehen dürfte. Corona ist nichts Besonderes mehr und meinen geschätzten Lesenden wird nicht entgangen sein, wie müde die Frau Fundevogel in diesem Jahr geworden ist.

Wie sie kämpft, um menschlich zu bleiben, nicht zu verdriften in einem Strudel aus Nörgelei und lasst micht doch alle in Ruhe.

Der Kleine Fundvogel und ich haben in diesem Jahr drei Hochbeete gemeinsam gebaut, ein Viertel Gartenhaus abgeschliffen und neu gestrichen, wir sind nach Nütschau gewandert, nach Ahrensburg, Großensee und Tremsbüttel und mehrfach nach Hamburg-Barmbe, mehrere spannende Kilometer an der U-Bahn lang. Im Naturschutzgebiet Höltigbaum werden wir uns nie wieder verirren. Wir haben die gesamte „Sams“-Reihe und viele andere Bücher gelesen. Er kann seit der Große Fundevogel für die Prüfungen lernen muss, jeden Tag meht Englisch und wie ein gelernter Kellner Teller einsetzen und ausheben – so heißt Tisch auf- und abdecken, wenn man das studiert. Auch ich lerne dazu.

Weiterlesen

Das Rettungskomittee

Der erste heftige Frühlingsregen fiel im Haselkätzchenmond, das Erdreich trank, wie es lange nicht hatte trinken dürfen und alles Lebendige barst vor Eifer zu wachsen und zu erblühen. Die Au glitzerte breit in der Sonne. Sie war ein wenig über die Ufer getreten und die Enten schwammen um die Erlenstämme herum.

Cardámine, die Fee, war sobald Sturmböen und Schauer nachgelassen hatten, aus ihrem Nest gekrochen und saß nun in der Frühlingssonne, winkte einer geschäftigen Erdhummelkönigin zu, sog den feuchten Duft in sich ein, auch sie unendlich dankbar für soviel Wasser, auf das kein Verlass mehr war.

Weiterlesen

Nach dem Winterschlaf (ABC-Etüde)

Lilly band sie sich ihre Strickjacke um die Hüften, die Märzsonne wärmte. Eben hatten sie und Julian die Bienenstöcke durchgesehen. Alles strotzte vor Honig, die Immen schwankten fast unter der Last der Pollen, die sie an ihren Hinterbeinen heranschleppten.

Und doch fühlte sie sich verwundet, seit sie in den letzten Februartagen fassungslos zugesehen hatten, wie ein Großteil ihrer geliebten Schlehen von einem Trupp Arbeiter abgesägt und in Holzhäckselmaschinen gestopft worden war.

Weiterlesen