Damals wohnten noch viele dauerhaft in der Schrebergartenkolonie, Behelfsheime nannte man das. Unser Garten war nur Hobby und ich habe die Kinder in den Behelfsheimen immer beneidet, weil sie sozusagen nie nach Hause mussten.
Am Ende der Kolonie, direkt neben dem Parkplatz wohnte Herr M. mit seinen Kaninchen. Ein kleiner, rundlicher Mann mit einem Dackelfaltengesicht, wie meine Mutter sagte.
Wir liebten die Kaninchen, wir liebten Herrn M. und seine Hütte, in der es fruchtig nach eingelagerten Äpfeln roch
Manche Eltern in der Kolonie waren zu eingesponnen in ihre Sorgen, um die Sorgen ihrer Kinder wahrzunehmen. Herrn Ms freundliche Mahnung Halt die Ohren steif löste keine Probleme, aber seine tiefe Anteilnahme half eben doch.
Manchmal lag Herr M. betrunken schnarchend auf der Couch, dann gingen wir hinaus und fütterten die Kaninchen.
Bis zu dem Tag, an dem Dirk alles scheppernd zum Einsturz brachte.
Dirk erzählte, der Herr M. habe, na Sie wissen schon, das, vor dem wir alle unsere Kinder schützen wollen.
Nein, er hat nicht, beharrte ich auf alle Fragen, denn er hatte nicht.
Aber ich war entsetzlich enttäuscht
Er schlachtete die Kaninchen, verschwand aus der Kolonie und war bald nur noch eine Schauergeschichte. Eine, die mich jahrzehntelang nicht losließ, vielleicht war sie der eigentliche Grund Journalistin zu werden.
Der dritte Schlaganfall raffte Herrn M. wohl dahin, in der kleinen Einzimmerwohnung, in die er sich von Kindern, Erwachsenen und Kaninchen fern verkroch. Der Alkohol nur blieb ihm treu.
Eine Polizeiakte fand ich trotz intensivstem Recherchieren nicht.
Sowas zeigte man nicht an, behauptet meine Mutter.
Schließlich traf ich Dirks Schwester, abgeklärt nach jahrelanger Therapie. Unser Vater war es und unser Onkel, die hätten den Dirk umgebracht, wenn er das erzählt hätte. Heute trinkt er zuviel.
Der Mann mit den Dackelfalten hatte mich nicht getäuscht.
Das Böse lauert woanders.
Das Gute auch.

Eine Geschichte, die sich mir erzählte. Sie hat keinen konkreten wahren Hintergrund.
Ich danke Puzzleblume für die schöne Wortspende (siehe Grafik) und bei dieser Gelegenheit dafür, dass sie besser als das Wälzen von Bestimmungsbüchern vermag, den Tiren und Pflanzen in meinem Garten (ja es ist ein Schrebergarten) Namen zu geben.
Christiane danke ich, dass sie dieses wunderschöne Spiel getreulich möglich macht!
Ich freue mich immer über Likes und Kommentare zu meinen Texten, muss aber darauf hinweisen, dass WordPress.com – ohne dass ich daran etwas ändern könnte — E-Mail und IP-Adresse der Kommentierenden mir mitteilt, die Daten speichert, verarbeitet und an den Spamerkennungsdienst Akismet sendet. Ich selbst nutze die erhobenen Daten nicht (näheres unter Impressum und Datenschutz). Sollte das Löschen eines Kommentars im Nachhinein gewünscht werden, bitte eine Mail an fundevogelnest@posteo.de, meistens werde ich es innerhalb von 48 Stunden schaffen dieser Bitte nachzukommen.
Üble Nachrede zerstört Existenzen und trifft meist die, die sich am wenigsten dagegen wehren können. Eine realistische und bedrückende Etüde, wo jeder deiner Protagonisten verliert. Schön, dass du am Ende aufklärst. 🤔
Grauhimmelige Sonntagmorgenkaffeegrüße und wie immer danke 😁☁️☕🥐👍
LikeGefällt 2 Personen
Ja, das ist etwas, was ich in den letzten Jahren gelernt habe: Wenn mich irgendjemand – meistens hat es was mit den Fundevögeln zu tun – anzeigen möchte, sage ich immer freundlich ja bitte, dann haben wir einen der es klärt.
Wenn man mich beim Jugendamt anzeigen möchte, biete ich immer gleich noch die Nummer der/ des Zuständigen an.
Allerdings bin ich auch kein etwas wunderlicher Alkoholiker in einer runtergekommenen Schrebergartenhütte – und auch nicht Schwarz oder Romni, dann kann so ein Schritt schnell nach hinten losgehen.
LikeGefällt 1 Person
Das sind die üblen Geschichten, die mich immer wieder zornig machen. Gut geschrieben!
Liebe Grüße
Ulli
LikeGefällt 2 Personen
Ja, so ein Herr M. ist der perfekte Sündenbock, da braucht man nicht lange zu zweifeln, nur die Erzählerin hat ihrer Intuition getraut
LikeGefällt 2 Personen
Wie Untersuchungen zeigen, ist das Böse oft ganz nah dran. Sehr erschreckend!
LikeGefällt 1 Person
Leider ja und das Böse in der Familie, im nahen Bekanntenkreis wirkt oft so viel zerstörerischer.
LikeGefällt 2 Personen
… weil es den wichtigsten Zufluchtsort gleich mit zerstört.
LikeGefällt 1 Person
Erstaunlich, wieviel Ernsthaftigkeit und Bedeutung die Worte bei dir bekommen haben. Ich bin sehr beeindruckt.
LikeGefällt 1 Person
Es gibt immer wieder Geschichten, die möchten gerade geschrieben werden und die schmiegen sich dann um die Wörter herum.
LikeGefällt 1 Person
Was für einen Hintergrund diese Wörter hier bekommen. Großartig, auch wenn die Geschichte selbst übel klingt.
Viele Grüße
Monika
LikeGefällt 1 Person
Ja, es ist eine Geschichte, bei der alle mehr oder weniger viel verloren haben.
Sie wollte aber partout geschrieben werden.
Wirklich genauso passiert ist sie meines Wissens nicht.
LikeGefällt 1 Person