Dich hätte ich am liebsten dabei, schreibt Amelie, aber du weißt ja, die Familie…der Smiley rollt genervt die Augen.
Sie lädt mich zu ihrer Konfirmation, per Videostream, weil wegen Corona nur fünf Gäste pro Konfirmand leibhaftig zugelassen sind.
Ich bin perplex. Es lassen sich 2021 noch Jugendliche konfirmieren. Über vieles reden Amelie und ich, oft nebenbei, wenn Gemüse in der Pfanne schmort oder wir an den Bienenkisten sind. An Gott habe ich nie gedacht.
Uns trennt über ein halbes Jahrhundert. Seit wir auf einer FridayForFuture-Demo gemeinsam ein Transpa hielten und über Bienen ins Reden kamen, sind wir Freundinnen. Es ist mit ihr nicht wie mit den Enkeln, die mich so glücklich machen, es ist tiefer.
Ich habe dir Tod und Leben, Fluch und Segen vorgelegt, damit du das das Leben wählst (5. Mose, 30) lautet ihr Konfirmationsspruch.
Der Spruch, den ich mir habe ausreden lassen, nicht vom Pastor, von meiner Mutter, die ihn zu wuchtig fand und etwas Gefälligeres heraussuchte.
Ich schreibe Amelie, wie auch mich einst dieses Bibelwort berührte und ich mir glühend vorgestellt hatte, mein Leben lang klar zwischen Gut und Böse zu unterscheiden und mich stets auf die richtige Seite zu stellen.
Wie ich nicht nur den Glauben an Gott verlor, sondern auch Gut und Böse sich als trügerisches Konstrukt erwiesen und ich durch mein Leben schlingere. Nimm das Imkern, schreibe ich, viele halten es für Naturschutz und wir überlegen aufzuhören, damit unsere Bienen den freien Insekten nicht alles wegfressen. Ich schweife weiter zu einstigen Vorbildern, von denen man später las, sie hätten kleinen Jungs zwischen die Beine gefasst.
Schließlich werfe ich den Brief weg.
Amelie ist klug. Sie braucht keine Belehrungen einer alten Frau, die nicht mal ihre Konfirmationsspruch durchsetzen konnte.
Ich suche lieber meine Perlenohrringe hervor, die ich zur Konfirmation bekam.
Sie werden ihr stehen.
Letztes Wochenende war ich tatsächlich nicht auf einer Konfirmation, die man online verfolgen konnte. Der Konfirmand wusste seinen Spruch, als ich ihn später fragte, schon nicht mehr.
Meiner war „Gott ist die Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“, selbst ausgesucht und niemand hat dreingeredet.
Auch sonst ist diese Etüde ausgedacht
Und viel zu spät, die Runde zur Wortspende von Doro-Art mit den inspirirenden Wörtern Pfanne, glücklich und trennen war vorgestern schon vorbei.
Aber ich eiere weiter zwischen Kitanotbetreuung und Fundevogelprüfungsvorbereitungen herum, was zwar nicht den ganzen Tag einnimmt , aber die Stunden frisst, die ich für mich sonst haben könnte.
Der Erzählvogel ist schon ganz blass um den Schnabel. Um so mehr lobpreist er Christiane, dass die Etüden uns erzählend bei der Stange halten. Ich schließe mich des Vogels Lob an.
Die Fundevogelprüfung wird im Mitte des Monats hinter uns liegen — wie auch immer.
Corona ist da nich so kalkulierbar. Hier scheint man es langsam einhegen zu können, aber in anderen Teilen der Welt holt es gerade erst richtig Luft.
Gerechtigkeit ist da nicht zu finden.
Ich freue mich immer über Likes und Kommentare zu meinen Texten, muss aber darauf hinweisen, dass WordPress.com – ohne dass ich daran etwas ändern könnte — E-Mail und IP-Adresse der Kommentierenden mir mitteilt, die Daten speichert, verarbeitet und an den Spamerkennungsdienst Akismet sendet. Ich selbst nutze die erhobenen Daten nicht (näheres unter Impressum und Datenschutz). Sollte das Löschen eines Kommentars im Nachhinein gewünscht werden, bitte eine Mail an fundevogelnest@posteo.de, meistens werde ich es innerhalb von 48 Stunden schaffen dieser Bitte nachzukommen.
Warum sollte es 2021 keine Konfirmation geben? Meinen Konfirmationsspruch weiß ich auch nicht mehr, aber das hat mit meinem Glauben an Gott nichts zu tun. Mein Gerechte-Welt-Glaube allerdings ist schon gestorben, ehe ich ein Schulkind wurde und seither nicht wieder auferstanden. Und mein Glaube an die Möglichkeit „nachhaltigen“ Verhaltens leistet meinem Gerechte-Welt-Glauben seit mindestens zehn Jahren Gesellschaft. Meine eigene Konfirmation, ach du Schreck, die war auch schon vor mehr als 50 Jahren. Sie war damals eher eine Art kollektiver Regimekritik als eine Manifestation religiöser Überzeugung. Der Glaube an Gott kam viel später, aber er blieb. Danke für diese nachdenkliche Etüde!
LikeGefällt 4 Personen
Natürlich wird es weiter Konfirmationen geben und ich fand den Konfirmandenunterricht meiner Kinder als Hilfe zur moralischen Orientierung in einer komplexen Welt durchaus hilfreich.
Mein Großer hat dann sogar mehrere Jahre selbst Konfirmandenunterricht gegeben, als „teamer“ nun ist er im Kirchenvorstand.
Meine Geschichtenerzählerin hat sich aber solange nicht damit beschäftigt, dass sie halt ganz verwundert ist.
Mein eigener Glaube —
ist eigentlich nicht existent, im Sinne daran dass ich an eine höhere Macht glauben würde,, obwohl ich erzählend immer wieder bei kirchlichen Themen lande.
Dass die Menschheit gut und achtsam miteinander und den bewohnten Planeten umgeht ist für mich keine Glaubensfrage, sondern eine der Vernunft, vielleicht auch der Moral.
Liebe Grüße
LikeGefällt 2 Personen
Hm. Jein. Was IST gut und achtsam? Der Glaube daran, dass Menschen das korrekt definieren und dann sogar konsequent danach handeln können, ist mir frühzeitig abhanden gekommen.
LikeGefällt 1 Person
Genau das ist ja das Thema der Protagonistin der Etüde.
Sie entschließt sich dann aber ihre junge Freundin diese Erfahrung selbst machen zu lassen
LikeGefällt 1 Person
Auch hier werden Kids konfirmiert, ich habe die Kirche nicht weit weg, und ich freue mich für jede*n, der*dem es was bedeutet – und nicht nur Geschenke. Mein Jahrgang damals wurde mit Sprüchen aus der Bergpredigt versehen, ich kann mich nicht erinnern, gefragt worden zu sein. Meiner ist der mit der Gerechtigkeit, und erst über die Jahre habe ich festgestellt, dass es durchaus ein Thema für mich ist; was der Pfarrer, den wir alle langweilig fanden, damals schon behauptete. Dass ich ihn noch weiß, ist wiederum eine andere Geschichte. 🤔
Ich freue mich über die Schilderung der Freundschaft und die Überlegungen, die dein Protagonisten-Ich anstellt, und bin happy, dass es dir das wert war aufzuschreiben. 🧡
Grüße an den Erzählvogel, und möge auch sonst alles glatt gehen bei euch! 😀👍👍👍
Verregnete Morgenkaffeegrüße von Süd nach Nord 😁🌧️🌼🌷☕🍩👍
LikeGefällt 3 Personen
Wenn man ein bisschenmit ihnen spricht, merkt man bei vielen Jugendlich, dass ihnen die Auseinandersetzung mit den Konfirmationsthemen mehr bedeutet als sie im Korsett ihrer Coolness zugeben können.
LikeGefällt 2 Personen
Die Kinder meines Lebensgefährten (20 bzw 22 Jahre alt), beide derzeit auf der Schwelle zum Eintritt in die Arbeitswelt, ärgern sich gerade sehr darüber, wieviel Kirchensteuer sie zahlen sollen und darüber, dass der geplante Kirchenaustritt – wegen eben jener Steuern, nicht etwas aus ideologischen oder anderen Gründen – auch nochmal mit Kosten verbunden ist. Die vielen Scheinchen damals als Geschenk zu ihrer Konfirmation wurden sicher nicht in demselben Masse hinterfragt. 😉
LikeGefällt 2 Personen
Mein Vater wünschte als überzeugter Atheist nach vielen Jahren wieder in die Kirche einzutreten, nicht des Glauben willen, sondern weil er die sozialpolitische Haltung der Kirche hier in der Stadt und ganz besonders die Versorgung seiner Mutter in einer kirchlichen Einrichtung aktiv wertschätzen wollte.
Er war ganz aufgebracht, als der Pastor sich deswegen mit ihm unterhalten wollte („Beim Austreten haben die Gründe auch niemanden interessiert“)
Das Gespräch muss den Pastor irgendwie beeindruckt haben.
Den als escschließlich dazu kam, dass er meinen Vater aussegnen musste, nahm er in der Ansprache darauf Bezug und sagte, mein Vater würde nun wissen, wer von Ihnen beiden recht hatte.. Und die ganze Trauergemeinde musste grinsen.
LikeGefällt 2 Personen
Hallo Natalie, die Begegnungen im Leben machen uns reich – und solche, altersübergreifend, kann ich nur feiern. Welch feiner Text, der mich den Fokus auf die Worte vergessen läßt und mich durch die Gedankenwelt schickt und meine eigenen Ausflüge unternehmen läßt. Ja, spezielles Thema, dass einen mehr oder minder heftig gelegentlich streift. Wie schön, dass Du diese wunderbare Erzählung beigesteuert hast, das adelt die Wörter. LG Doro
LikeGefällt 3 Personen
Einer der großen Glücksfälle meines Lebens ist, dass ich immer Freundschaften in fast alle Altersstufen hinen hatte. Dasmacht mein Leben leichter.
Danke für deine schönen Worte und die inspirierende Wortspende.
LikeLike
eine sehr schöne nachgereichte Etüde!
LikeGefällt 3 Personen
Dabei wollte ich mir das Nachreichen eigentlich abgewöhnen.
LikeGefällt 1 Person
wenn die Schöpferin es zuläßt…
LikeGefällt 1 Person
Ihren Langmut bewundere ich immer wieder
LikeGefällt 1 Person