Da manche von Ihnen das gern vorher wissen; Es ist eine durchaus traurige Geschichte, denn sie erzählt vom Tod zur Unzeit.
Tage hat sie gebraucht, um überhaupt dieNummer zu wählen, beim ersten Versuch dann was von verwählt genuschelt und rasch aufgelegt.
Nun aber ist sie unterwegs zu Frau Fabian, die große Einkaufstasche prall gefüllt mit Neles Sachen, samtene Strampler, naturfarbene Wollhemdchen, geringelte Bodys, der kleine Pulli mit Weihnachtsmotiv, gekauft für ein Fest, das es nie gab. Wegwerfen wäre unverzeilich, die Tasche ewig stehen lassen eigentlich auch, denn sie muss ja weiterleben. Muss. Irgendwie uneingestanden will sie es sogar, ist doch noch keine dreißig und kann nicht Jahrzehnte verbringen mit einer Tasche voll Samtstramplern, Wollhemdchen und einem winzigen Weihnachtpulli.
Frau Fabian hat Tee gekocht, Kekse stehen bereit.
Nun zeigen Sie mal her.
Aufmerksam inspiziert sie Strampler, Pullis, Bodys, lächelt den Weihnachtspulli an, fragt nichts.
Da mache ich Ihnen eine hüsche kleine Decke draus, etwas ganz Unverwechselbares. Soll der Name drauf stehen?
Sonst fragt sie nichts und gerade deshalb purzelt plötzlich alles heraus, die Starre am Anfang, das Bangen, die kleinen Hoffnungsschimmer, der größerere dann und schließlich der plötzliche Tod noch vor dem ersten Weihnachtsfest.
All das nähe ich mit hinein, sagt Frau Fabian
Bald ist die Decke fertig, Samtsechsecke schmiegen sich an geringelte. Das Weihnachtssechseck liegt genau in der Mitte. Alles ist mit weichem Stoff rosa unterfüttert.
Was bekommen Sie eigentlich dafür?
Dafür nehme ich kein Geld. Beten Sie für mich.
Zuhause streicht sie über die Decke, sie spürt wirklich alles darin.
Viel Geld gibt sie in einem Bioladen aus, kauft Tee, Kekse, Honig,gutes Öl und Saft. Dass Geld nicht üppig ist bei Frau Fabian, dass sie lieber bessere Kekse angebieten würde, das hatte sie auf den ersten Blick gesehen..
Sie steckt alles in die Häschentasche, in der hatte sie immer Neles Wechselwäsche transportiert und hängt sie an Frau Fabians Tür.
Auf dem kleinen Kärtchen steht Beten kann ich nicht mehr.
Davon dass sich Menschen aus der Kleidung von Verstorbenen eine Patchworkdecke oder etwas ähnliches nähen (lassen), höre ich immer öfter. Ich finde das einen sehr schönen Brauch.
Es macht die Trauer auf unaufdringliche Weise sichtbar.
Und sonst so?
Bin ich noch immer unendlich müde, könnte fast genauso viel schlafen wie das Kind und dann steht der Erzählvogel ohne was herum.
Aber die schöne Wörterspende des Etüdenerfinders Ludwig Zeidler nähen, Hoffnungsschimmer, unverzeihlich) konnten wir uns nicht entgehen lassen. Danke Christiane, dass du uns auch im neuen Jahr getreulich das Etüdenbeet bereitest.
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Eigentlich erzählt deine Geschichte von der Bewältigung eines Todes zur Unzeit, und ich finde sie sehr berührend. Der letzte Satz haut mich von den Füßen; gleichzeitig kann ich mir nicht vorstellen, ihn zu sagen. Er spricht für mich von einer tief, tief enttäuschten Hoffnung und impliziert einen Gott, der es richten sollte – ist nicht meins, stelle ich beim Nachdenken fest … danke für den Anstoß. 😏
Ja, eine sehr gute Idee zur Trauerbewältigung, finde ich auch. Danke dafür und: Schlaf, so viel du kannst! Möge der Erzählvogel dir bunte Träume schenken! 🧡
Morgenkaffeegrüße 😁☁️☕🍪👍
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Über deinen Kommentar nachsinnend, erwäge ich das letzte wort zu streichen.
Beten kann ich nicht.Punkt.
Dann stimmt er für mich.Ich bete nicht.
Aber ich bin ja nicht die Protagonistin, die ihren vielleicht einst vorhandenen Glauben möglicherweise auf ihren harten Weg zumindest vorübergehend verloren hat.
Denke ich nochmal drüber nach.
Danke
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Ich würde es so stehen lassen, denn es sagt sehr viel über den Hintergrund/die Geschichte deiner Protagonistin aus und gibt ihr damit noch mehr Tiefe.
Wenn dir die Differenzierung wichtig ist, was ich gut verstehen würde, könntest du es ja bei den Fußnoten ergänzen.
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Solche Patchworkdecken sind eine schöne Sache. Deine Geschichte dazu gefällt mir sehr!
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Das freut mich, ja ich finde diesen Brauch auch schön.
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Ich hatte noch nie davon gehört und finde, das ist eine großartige Idee. Viel besser, als die Dinge zu verschenken oder was auch immer anderes damit zu machen. Deine Geschichte gefällt mir sehr, und da ich keine Ahnung habe, wie es sich anfühlt, ein Kind zu verlieren, sind alle Entwicklungen denkbar, nicht schön, aber denkbar. Ob es dann tatsächlich so wäre… keine Ahnung. Ich bin ganz froh, in diesem Fall keine Ahnung zu haben.
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Meine Kinder leben zum Glück auch alle.
Aber als Zaungast habe ich den Tod zur Unzeit oft miterlebt.
Ja die Patschworkdecke ist eine Transformation, es gibt endgültig keine Kleidung mehr für einen Menschen, der ihrer nicht mehr bedarf, aber die Erinnerung bleibt greifbar.
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nein, ich habe keine patchworkdecke genäht oder nähen lassen … aber ich habe noch immer, acht jahre nach dem tod meiner tochter, kleidungsstücke und accessoires von ihr in gebrauch, trage eine jacke, einen anorak von ihr (sie starb nicht als baby oder kleines kind …), gelegentlich ihre rosarote sonnenbrille … manchmal überlege ich, ob das noch „normal“ ist … aber – ja, doch – für mich ist es eben normal.
lieben gruß und dank für deine geschichte!
pega
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Liebe Pega,
Als ich deinen Like sah, erinnerte ich sofort den berührenden Text über den Tod deiner Tochter.
Ich finde es einen durchaus tröstlichen Gedanken die Kleidung weiterzutragen.
Ich schlafe nachts in den T-Shirts meines verstorbenen Vazers, das hat sich irgendwie so ergeben.
Das mit der Patchworkdecke hat jemand aus dem Bekanntenkreis nach dem Tod der Tochter gemacht.
Und immer denke ich daran, was ich mal in einer Fortbildung gelernt habe „man kannn nicht falsch trauern, sondern nur auf die eigene Art.“
Alles Liebe.
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Man kann nur erahnen, wie einen ein solcher Kindstod treffen würde. Aber ich möchte es mir gar nicht vorstellen. Und dass uns immer eingetrichtert wurde, ein gütiger Gott hielte seine Hände über uns, ist bei solchen Ereignissen immer schwer nachzuvollziehen. Da verstehe ich schon die Enttäuschung des Nicht-mehr-beten-Könnens.
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Mit dem gütigen Gott habe ich mich schon immer schwer getan.
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mir fehlen gerade die Worte.
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Das tut mir leid, deshalb hatte ich vorgewarnt.
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Gerade geht mir sowas besonders Nahe. Ich mag mich gar nicht hineinversetzen, kann es aber natürlich nicht abschalten. Ich finde deine Geschichte aber wundervoll einfühlsam. 💞
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Hallo Katharina,
ja ein kleines Kind haben macht durchlässig, jedenfalls ging es mir so.
Nie werde ich das Kind vergessen, dass ich am letzten Tag vorm Mutterschutz beim Sterben begleitet habe, obwohl das ja nun bald 27 Jahre her ist, sehe ich den Kleinen , wie er da leblos auf meinem dicken Bauch lag noch vor mir.
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