Die Erpel sind so heftig damit beschäftigt gegeneinander zu kämpfen, dass man auf dem Weg an der Au Gefahr läuft über Kontrahentenknäuele zu stolpern. Die Amseln sind auch nicht besser, klären ihre Angelegenheiten aber in der Luft.
Das Ganze fühle sich nicht nach 19. Januar an, sondern eher nach 19. Februar, wenn nicht gleich nach 19. März und die Frau Fundevogel bekommt einen akuten Hornveilchenkaufanfall. Der Baumarkt, der für ein einziges Exemplar 2,39 Euro haben möchte, lässt sie noch mal innehalten, aber auf dem Wochenmarkt kosten sie soviel wie sie im kalendarischen Frühling vermutlich auch noch kosten werden.
Die Bienen fliegen schon hin und wieder in diesem märzigen Januar, also bin ich durchaus nicht zu früh mit der Pflanzerei.
Die geschätzte Frau Stachelbeermond hat ein sehr treffendes Gedicht über die widerstreitende Wetter- und Gefühlslage geschieben und in den Kommentaren kommen wir auf die abwegige Idee einer Bienenhaltung auf dem Balkon …
Weißt du noch, wie wir mit den Bienen in der U-Bahn gefahren sind?“, fragt der Große Fundevogel. Wie könnte ich das je vergessen.
Anders als mit Hühnern habe ich mir mit Bienen keinen Kindheitstraum erfüllt. Kindheitslang und später noch waren Haustiere für mich Wesen, zu denen man eine Beziehung aufbaut, die Namen haben und sich im Idealfall streicheln lassen. Dass ein Haufen Stechimmen pures Glück sein kann, habe ich mir lange nicht vorstellen können. Und in all den Büchern über Selbstversorgung und alternatives Leben, die ich in meinem Leben verschlang, erschien mir die Bienenhaltung immer besonders kompliziert und extrem materialaufwändig. Das ganze erinnerte mehr an Mechanik als an Tierhaltung
Und dann summten sie auf einmal von allen Seiten in mein Leben.
Ich las begierig Meine kleine City Farm (der deutsche Titel ist albern irreführend und das Cover erst recht) von Novella Carpenter, in dem ihre Bienen eine große Rolle spielen und eine berührende literarische Würdugung erfahren .Vor gut zehn Jahren wurde vielerorts die „Bienenkiste“ gehypt, eine Erfindung (bzw. Weiterentwicklung) des Hamburgers Erhardt Maria Klein, die eine unkomplizierte und vor allen wesensgemäße Bienenhaltung ermöglichen soll, ein Bienenhaus, kein Stabilbaukasten, wie mir schien.
Und ein Beitrag zum Artenschutz, was ich schon damals nicht so recht glauben wollte. Apis mellifera ist längst zum Haustier geworden und ich fürchte ihre massenhafte unkontrollierte Haltung kann Wildinsekten massiv das Futter rauben. Blühräume schaffen gehört für mich zur Bienenhaltung dazu.
Urban Gardening war um 2011 rum auch so ein Riesenhype und was soll ich sagen, ich bin voll drauf abgefahren, wenn ich auch nie „Samenbomben“ gebastelt habe, sondern mich doch mehr für Nachhaltigkeit und die Rechte der KleinbäuerInnen weltweit interessiert habe. Ich hatte damals bloß ein bisschen eigenes „Pantoffelgrün“ zur eigenen Nuzung vor meiner Mietwohnung und habe zweimal die Woche mit Grundschulkindern auf einem Schulhof gegärntnert, was ein Riesenspaß für alle Beteiligten war.
Eines Februartages fand ich mich auf einem Workshop für Urban Gardening wieder, konnte eine leibhaftige Bienenkiste – wenn auch ohne Bienen drin – anfassen und meldete mich spontan für gemeinsames Bienenkisten bauen an.
Der Große Fundevogel und ich haben unsere Bienenkiste gemeinsam gebaut, in einer aufgegeben Baumschule, in der eine Gruppe von Leute völlig unbefangen vor sich hin gartenexperimentierte. Die Bretter waren schon zugeschnitten und es gab viel freundliche Hilfe, ehe hier jemand auf die Idee kommt, die Frau Fundevogel um Hilfe beim Tischlern zu ersuchen.
Das fertige Stück duftete verheißungsvoll und war ganz schön schwer. Wir luden es auf unseren „Hackenporsche“ das ging zu zweit auch ganz gut, aber dass plötzlich keine S-Bahn mehr fuhr und wir 25kg Bienenhaus treppauf, treppab zum Schienenersatzverkehr schleppen und in völlig überfüllte Busse quetschen mussten, während alle möglichen Leute fragten, ob das etwa ein Sarg sei – war schon eines der unvergesslicheren Abenteuer.
Nun hatte ich eine Bienenkiste im Keller stehen.
Sie vor dem Haus aufstellen?
Nee, da war der Ärger vorprogrammiert.
Also ging die Suche los.
Kein Gemeinschaftsgartenprojekt in halbwegs erreichbarer Nähe gefunden, auch niemanden, der so etwas mit aufziehen wollte, der Hype spielte wie so oft im Westen der Stadt.
Schließlich habe ich einen Schrebergarten gemietet.
Extra für Bienen, die ich nicht hatte.
Habe einen Imkerkurs gemacht, bei einem vom Kopf bis Fuß tätowierten Imker, dessen holländischer Akzent kaum zu verstehen war, der die Bienenkiste erst für Wahnsinn hielt und später begriffen hat, dass man auchin alternativen Haltungssystemen verantwortlich imkern kann und die Tiere nicht einfach ihrem Schicksal überlassen muss.
Auf jeden Fall viel gelernt in einem viel zu kalten Frühjahr.
Und schließlich über die „Schwarmbörse“ (im Internet gibt es echt alles!) meinen Bieneschwarm gefunden.
Die wesensgemäße Bienschwarm ist natürlich im Westen der Stadt abzuholen, er stammt von einem Balkon in Hamburg St.Pauli, Seitenstraße der Reeperbahn, ein Ambiente, in dem das Wort Biene gemeinhin andere Assoziationen weckt.
Wesensgemäß gehaltene Bienen dürfen schwärmen, werden nicht, wenn die Imker es für geboten halten, per Ableger vermehrt, werden auch nicht wie in den USA per Posersten t verschickt, aber an Novella Carpenter, die ihre Bienen im Fahrradkorb vom Postamt holte, muss ich an jenem Tag noch öfter denken.
Ein gerade geschwärmtes, glücklich eingefangenes Bienenvolk auf der Suche nach einem neuen Zuhause kann nicht warten, schnell geht der kleine Honigvorrat im winzigen Bienenmagen zur Neige.
Es ist brüllend heiß.
Ich habe kein Auto.
Terminschwierigkeiten gib es auch, bei mir, beim Schwarmabgebenden.
Ich stell sie bei der Nachbarin ab, sagt er.
Solche Nachbarn braucht es wohl, um Bienen auf dem Balkon halten zu können. In dem riesigen Altbauzimmer ist es relativ stickig. Es ist nicht ratsam ein Fenster zu öffnen, wenn ein Käfig voller Bienen mitten auf dem Fußboden steht, die Duftstoffe der Königin locken alle Bienen im Umkreis an.
Es sitzen schon etliche an Zimmerdecke und Fensterscheiben.
Den Schwarmkasten mit der Gitterseite an mich gepresst, machen wir uns auf den Weg zu U-Bahnstation, jeden Schritt behutsam setzend, auf keinen Fall straucheln mit einem ganzen Volk im Arm.
Die nachfliegenden Bienen werden mit jedem Meter weniger.
In der Bahn versuche ich so unauffällig wie möglich auszusehen, so mögen Drogenkuriere sich fühlen oder die mit der gestohlenen Waffe für den „Widerstand“ im Rucksack, wobei ich nicht wüsste, dass der Insektenvölkertransport im öffentlichen Nahverker irgendwie gesetzlich reguliert wäre.
Na ihr Kleinen? Wie geht es euch? Braucht keine Angst haben …, flötet der Große Fundevogel auf dem Sitz neben mir unablässig.
Bitte!, denke ich, bitte lass niemand fragen, ob er mal gucken darf. Bitte!, lass‘ sie alle an Hamster denken.
Riesenerleichterungsseufzer, als wir heil ankommen im kleinen Garten im Osten der Stadt .
Der Einzug der Tausenden kann losgehen..



Im nächsten Jahr schwärmt das Volk erneut, seitdem haben wir zwei, was auch reichen soll.
Am Ende des darauffolgenden Jahres ist mein erstes Bienenvolk tot.
Von der Varroamilbe dahingerafft, vermutlich ausgelöst durch eine zu späte Honigernte (die wiederum ausgelöst durch den Einzug des Kleinen Fundevogels) und dem nachfolgenden zu späten Varroabehandlung. Weinend habe ich tote Bienen aus dem Stock gefegt.
Von wegen man kann sich emotional nicht an Insekten hängen. Und die engen Zeitfenster des Bienenjahres nehme ich seitdem sehr ernst.
Im nächsten Jahr wird die Kiste wieder besiedelt, wieder ist es ein Scharm des anderen Volkes.
Seit neun Jahren bringen uns die Nachfahren der bahnfahrenden Bienekönigin Honig und Glück.
Ich freue mich immer über Likes und Kommentare zu meinen Texten, muss aber darauf hinweisen, dass WordPress.com – ohne dass ich daran etwas ändern könnte — E-Mail und IP-Adresse der Kommentierenden mir mitteilt, die Daten speichert, verarbeitet und an den Spamerkennungsdienst Akismet sendet. Ich selbst nutze die erhobenen Daten nicht (näheres unter Impressum und Datenschutz). Sollte das Löschen eines Kommentars im Nachhinein gewünscht werden, bitte eine Mail an fundevogelnest@posteo.de, meistens werde ich es innerhalb von 48 Stunden schaffen dieser Bitte nachzukommen.
Das ist ja auch noch so einer meiner Träume, dein Beitrag macht mir Mut, schauen wir mal, ob ich das nun wirklich umsetze. Als Wandervogelfrau ist das alles immer nicht so einfach, nur flugs geträumt 😉
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Bienen brauchen keine tägliche Betreuung, aber zu bestimmten Zeiten des Jahres recht intensive und vor allem pünktliche (im Sinne von pünktlich im Jahr, nicht von der Uhrzeit) Betreuung und das vorwiegend zu Zeiten, zu denen wir Menschen in den Urlaub fahren mögen. Wie das ggf. als Gemeinschaft zu leisten ist, sollte man sich vorher überlegen.
Wie teuer mein erstes Bienenvolk für eine Verschiebung von knapp zwei Wochen gezahlt hat, habe ich geschrieben.
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Bin ich also nicht die Einzige, die denkt, dass dieses Jahr alles bisschen früh dran ist und „Macht langsam“ denkt.
Ach, wenn ich deine Erfahrungen lese, dann nehmen sie mich mit und ich bin total fasziniert und denke, ja, wie schön, so sollte das auch sein. Nein, nicht meins, aber wie gut, dass es dich (und nicht nur dich) gibt. Und dass Bienen glücklich machen können, glaube ich sofort. 🧡
Ziemlich zauberhaft, vielen Dank.
Vormittagskaffeegrüße 😁☁️☕🍪👍
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Ich mag ja auch Katzengeschichte ohne eine Katze zu haben oderauch nur haben zu wollen.
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Ich denke, es wird im Februar noch einmal kalt, zumindest hier in Oberbayern. (Ich habe auch schon so einiges in der U-Bahn transportiert, unter anderem mein fast zwei Meter hohes Balkonregal.)
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In den letzten Jahren war es hier dann plötzlich im März oder noch später eisekalt.
Das ist für die Bienen dann echt blöd.
Sie gehen nach der Wintersonnenwende dann hochoptimistisch in die Brut und haben dann einen Haufen Nachwuchs, für den sie nicht sorgen können.
Ist es dagegen konstant kalt, bleibt das Nest klein und die Wintervorräte reichen.
Meine Nachbarin hielt als junge Frau Bienen in Sibirien.
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Ich könnte auch von vielen abenteuerlichen Transporten berichten. Immer wieder spannend was alles geht, logistisch war der Bienenschwarm (ca.3 Kg) in der Kiste ein kleines Problem.
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Sehr spannend, einen Bienentransport in der Bahn hab ich vorher für unmöglich gehalten, aber siehe da! Warum auch nicht? Nur Bienen- und Wespenängstliche dürften das wohl nicht wissen, sonst gäbe es einen kleinen Aufruhr.
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Mir war es fast zu spannend und ich war froh die Hamsterlegende aufrecht erhalten zu können.
Niemand war in Gefahr, sie waren ja eingesperrt, aber ich mag auch niemanden unnötig ängstigen.
Und Aufruhr ist auch so gar nichts für mich.
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