Zlata und Matilda (ABC-Etüde)

Die Magnolie blüht, die Tulpen auch. Zlata schiebt ihr Püppi im Puppenwagen von Matildas Tochter herum, jahrelang hatte der ungenutzt auf Enkel wartend auf dem Boden gestanden. Die Kleine geht jetzt in die Kita und versteht jeden Tag mehr, so lang dauert dieser verdammte Krieg nun schon.

War das mit dem Deutsch bei Frau Rahloff und ihr damals auch so flott gegangen? Sie weiß es nicht mehr.

Zlatas Mutter sitzt in der Sonne und starrt durch ihr Smartphone in den Krieg, sucht bang Botschaften von ihrem Mann im Felde, ab und an schaut sie hoch, lächelt ihre Kurven fahrende Tochter an, ein reines Mundlächeln ist das, Matilda erkennt es sofort, genauso papierdünn grinste Mamá, damals , als sie die Flüchtlinge waren

Man lässt sich vor seinem Kind nicht gehen.Während die Mutter sich tagsüber sorgt und nachts das Grauen träumt, soll das Kind ja trotzdem eine Kindheit haben. Irgendwie. Das Kind träumt dann von diesem augenlosen Lächeln ein Leben lang.

Wie bäckt man einen Geburtstagskuchen?, hatte Matilda Frau Rahloff gefragt und die Lehrerin hatte ihr das Rezept für den Königskuchen gegeben und ihr richtig lächelnd ein paar Mark zum Einkaufen und ihre eigene Kuchenform in die Hand gedrückt.

So eine Lehrerin wünscht Matilda der Zlata und allen Kindern ohne Halt.

Während Mamá auf dem Amt war, hatte Matilda akribisch Rosinen, Mehl und Zitronat abgewogen, umsichtig wie einen Zaubertank bereitete sie ihr Geschenk zu, bediente den Ofen mit bebenden Fingern.

Der Kuchen wurde perfekt. Mamá hatte ein paar Sekunden lang vollständig gelächelt und ein bisschen geweint.

Zu jedem im Exil gefeierten Geburtstag hatte Matilde seither Königskuchen gebacken.

Zlata, hast du Lust nachher mit mir einen richtigen Kuchen zu backen? Dann hat die Mami mal ein bisschen Zeit für sich.

Zlata strahlt, ihre Mutter nickt, müde lächelnd.

Auch wenn diese Etüde nicht autobiographisch ist, hatte ich mal eine Lehrerin , die Frau Rahloff hieß und der ich solches Handeln zugetraut hätte. Sie hat eine kleine Hommage verdient.

Die Wortspende mit dem Königskuchen, plus träumen und akribisch stammt vom Etüdenerfinder Ludwig Zeidler.

Wie so viele Schreibende dieser Runde habe ich für das Königskuchenrezept auf das Dr. Oetker-Schulkochbuch zurückgegriffen, in meinem Fall die Ausgabe, die ich 1981 zur Konfirmation bekommen habe. Das scheinet ja ein echtes Standardwerk zu sein.

An Christiane geht der Dank für Organistation und Illustration. Schauen Sie bei ihr vorbei, es sind wieder wunderbare Geschichten zusammengekommen.

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13 Gedanken zu “Zlata und Matilda (ABC-Etüde)

  1. Christiane April 29, 2022 / 8:06 am

    Zeit unseres Lebens erinnern wir uns an Freundlichkeit und Güte. Meine Paten waren so, in einer anderen Zeit, auch ein Lehrerehepaar.
    Möge die Welt sich bald friedlich weiterdrehen und Herz und Verstand (und Mitmenschlichkeit) regieren. Ja, ach.
    Danke dir für die Etüde und das Eintreten für den Menschen. 👍
    Morgenkaffeegrüße 🌄🌼☕🍪🦋👍

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    • fundevogelnest Mai 2, 2022 / 8:15 pm

      Freundlichkeit ist eine oft unterschätzte Tugend, auch weil sie oft mit Banalität und sich verbiegen verwechselt wird

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      • Christiane Mai 2, 2022 / 8:36 pm

        Da hast du recht. Es wird Gründe dafür geben.
        Abendgrüße 🌅🦢

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  2. wildgans April 29, 2022 / 8:09 am

    Traurigschön, schön traurig- und doch spricht Hoffnung aus der Geschichte!

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    • fundevogelnest Mai 2, 2022 / 8:39 pm

      Man kann auch in beschissenen Situationen menschlich handeln, zum Glück

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  3. puzzleblume April 29, 2022 / 5:32 pm

    Selbst wenn es so erfunden ist, könnte man es um die Ecke antreffen, und man kann nur wünschen, dass dann auch eine solche „Frau Rahloff“ nicht weit ist.

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  4. Werner Kastens April 29, 2022 / 7:16 pm

    Ich weiss nicht, ob das Verhalten, den Kindern Krieg und Übles zu verschweigen und nicht an sie heran zu lassen, wirklich das Ideal-Rezept ist. Meine Söhne haben beide den Kriegsdienst verweigert, WEIL der Grossvater ihnen von den Greueltaten berichtet hat. Und die Copmputer-Spiele triefen ja auch geradezu von Blut und in der Kita und in der Schule beteiligen sie sich an Machtspielen, Ausgrenzungen etc.
    Aber wir lehren sie nur, wegzuschauen, so wie wir es alle schon immer gesagt bekommen haben.

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    • fundevogelnest Mai 2, 2022 / 8:46 pm

      Du hast bestimmt recht, aber mich in dieser Geschichte glaube ich falsch verstanden.
      Ich meinte die Mütter, von denen mir in letzter Zeit bei der Arbeit so viele begegnet sind, die durch die Flucht, die Sorge um die kämpfenden Ehemänner und.. und…und so zermürbt sind, dass sie für ihre Kinder nicht mehr emotional erreichbar sind.
      Und um Kinder, an die viel zu vieles viel zu nah herankam und die kleine Inseln des Spielens dringend brauchen.

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  5. geschichtenundmeer April 29, 2022 / 7:44 pm

    Königskuchen buken wir zu Hause nach dem Rezept auf der Mondaminpackung. Aber Dr. Oetkers „Backen macht Freude“ und das „Schulkochbuch“ hat meine Mutter heute noch in ihrer Küche.

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    • fundevogelnest Mai 2, 2022 / 8:53 pm

      Ja, so Packungsrezepte können auch in die Familientradition eingehen.
      Die alten kochbücher sind oft praktische, wenn ich in die Verlegenheit komme irgendetwas „Klassisches “ zu kochen.

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