Die Widmung (ABC-Etüde)

Manon war die mit dem großen, knallrot geschminkten Lachen, das in jede Ecke des Schulgebäudes drang, die, die jeden mit jeder verkuppeln konnte und Lehrer das Fürchten lehrte, denn wenn sie beschloss, dass einer von ihnen fragwürdig war, wurde er das nimmer los.

Sie war als eine der ersten tätowiert und ihre Klamotten zeigten deutlich, auch taschengeldmäßig konnte nicht jede eine Manon sein.

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Am Feuer (ABC-Etüde)

Der Ping ihres Smartphones tritt sie aus dem Schlaf.

Die Mädchen…

Wenn einer von ihnen was passiert ist, ist es ihre Schuld.

Marina hat ein Foto geschickt, Seite an Seite liegen die Zwillinge auf ihrer Krabbeldecke.

Du siehst, sie leben noch, schreibt Marina. Endlich mal ausgeschlafen? Schreib wenn du losfährst, dann schmeiß ich den Kaffee an.

Ihr ist schwindlig. Wäre sie gestern gleich ins Bett gegangen, wäre sie nach ihrem Gebutstagsgeschenk – Marina hütet die Zwillinge, sie und Bekki gehen ins Kino – jetzt wirklich sensationell ausgeschlafen..

Genieß es, hatte Bekki ihr nachgerufen. Doch die Wohnung war so leer wie in der Krankenhauszeit, sie musste sich beherrschen Marina kein drittes Mal anzurufen und sie mochte nicht akzeptieren, dass ihre erste freie Nacht nach 14 Monaten schon alles verschenkt hatte.

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Zorn. Drachengroß.

Viel Glück und viel Segen ..

Daniel schmettert, Christoph brummt, dann drücken beide Jason, hezlichen Glückwunsch, sechs Jahre, Donnerwetter noch eins.

Die Vorhänge sind noch zugezogen, die Kerzen auf dem Kuchen flackern und werfen verheißungsvolle Schatten an die Wand. So was Schönes, denkt Jason, so etwas Schönes, nur weil ich geboren bin.

Er hat nur keine Zeit für Schönes,weil er wissen muss, ob da nun ein Drache sein wird oder ihre Liebe bloß Lüge ist.

Also dieses wahrhaft edle Exemplar hat deine Oma gehäkelt, kaum dass sie deinen Wunsch vernommen hat, sagt Christoph und hält eine Art Stofftier hoch.

Jason erstarrt.

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Jakobs Schicksal (ABC-Etüde)

Das Schwein kommt im strömenden Regen, gerade als der Jakob eine raucht.

Das Schwein kommt durch die Gartenpforte getrottet , die hat der Pflegedienst mal wieder offen gelassen.

Das Schwein guckt den Jakob an und da ist es schon ganz gut, dass es für den Jakob ein Tag ist, an dem er beschlossen hat, sich über nix mehr zu wundern. Seit dem Aufstehen guckt er durch den Fernseher nach Lützerath und denkt, er sollte vielleicht dort sein aber der Daniel kommt später. Aus zwei Tagen sind vier geworden und die Jenni, die tut den ganzen Tag die erstaunlichsten Dinge, gerade hat der Jakob die Topflappen aus dem Kompost gefischt.

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Montags im Jugendclub (ABC-Etüde)

Humaira, spielst du mit?

Wenn ihr die Musikbox ausmacht.

Ey, haste was gegen Domiziana, oder was?

Billard musst du hören, das Klicken, das Klacken, das Rollen, sonst ist es nur der halbe Spaß.

Echt jetzt?

Ihr dürft gern allein spielen,

Arthur dreht schon am Regler. Ziemlich schnell bringe ich sie zum Schwitzen. Kleine lasse ich gern gewinnen. Aber Jungs wie Arthur, Halil und Steven durchschauen jedes Anbiedern gnadenlos.

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Dereinst (ABC-Etüde)

Dereinst, wenn meine Bewegungen nicht mehr wohlwollend behäbig genannt werden können, sondern nur noch Zittern, Zaudern und Stolpern sind; wenn die Systeme meines Leibes nur durch Kästchen vielfarbiger Tabletten unvollkommen am Zusammenbruch gehindert werden: wenn mein Geist und die Gegenwart einander nicht mehr erkennen, meine Seele zwischen den Welten herumgeistert und durch eine Zeitlupe blickend nach Mustern sucht, in dem was so verwirrend mein Leben gewesen sein soll, dann habt Nachsicht mit mir.

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Die Phantasie (ABC-Etüde)

Aus dem Haar der Schrifttstellein rinnt Wasser, ihr Kleid klebt klatschnass am bibbernden Leib. Da sie gerade vorhat, ihr Manuskript samt Laptop in der Regentonne zu versenken, passt das literarisch nicht schlecht.

Und auf Regen haben doch alle sehnsüchtig gewartet.

Kein Wort haben wir über diese Regenflut geschrieben, kein Wort., also übertreib mal nicht so.

Mit klammen Fingern versucht die Schriftstellerin das handhohe, an den Rändern ausfransende Männchen vom Tonnenrand zu schubsen. Wer von denen, die sie in den Feuilletons als sensible Prophetin des Untergangs preisen, ahnt, dass ihre Phantasie ein bleiches, keifendes Rumpelstilzchen ist?

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Ein Erbstück (ABC-Etüde)

Zur Übergabe hatte er sich mit Britta in Lübeck getroffen, er hatte vorgehabt seine Schwägerin auf einen Kaffee einzuladen, aber sie hatte ihm mit schmalstmöglichen Dank den Behälter in die Hand gedrückt und sich verabschiedet.

Im Zug hatte es gelegentlich unter dem Tuch auf dem Plastikboden des Behälters geklackert., sonst war er still.

Am heimatlichen Bahnhof angekommen schnürte er den Behälter sorgfältig auf dem Gepäckträger fest . Vorsichtshalber schob er. Kurz hinter dem Yachtclub nahm er das Tuch ab, alles war vollgekackt und der Vogel fing munter an zu kreischen, das hatte Britta nicht mehr ertragen.

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Das Päckchen (ABC-Extra-Etüde)

Jonte schreit und tritt nach mir als ginge es um sein Leben, dabei versuche ich nur ihn im Buggy festzuschnallen. Frau Schultze öffnet die Wohnungstür, schweigend soweit ich das bei dem Lärm beurteilen kann. Ihr Hass brandet gegen meinen Leib.

Ich hätte früher selbst nicht geglaubt, dass ein Kind so schreien kann.

Sind Se‘ nich, odda?, brüllt man von hinten in mein Ohr und rammt mir etwas fast ins Gesicht, Instinktiv ducke ich mich.

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Schlaflos (ABC-Etüde)

Mein einst süßer Schlaf hat sich davongemacht wie ein Liebhaber, der eine Jüngere gefunden hat.

Mama ist mondsüchtig, witzeln die Mädchen, wenn sie mich bei ihren habschlafenden Toilettengängen am Fenster stehen sehen. Ich wäre zufrieden, läg ich nur in Vollmondmächten eingesponnen da, mit klopfendem Herzen, preisgegeben dem Schwinden der Tiere. Tagsüber suchen meine Augen nach Faltern und Vögeln, vielleicht wird der flüchtig übers Firmament huschende Mauersegler nicht bleiben können.

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