Feentanz (ABC-Etüde)

Es war ein frostiges Frühjahr, in dem Wolfgang Schröters Zeit verann.

Julians Innerstes weigerte sich zu glauben, dass dieser sanfte Mensch, der immer für ihn dagewesen war, nun einfach sterben sollte.

Ihn verlangte nach Lillis Trost. doch als er sie den Sandweg zum Schröterhaus hochlaufen sah, würgte er seine Tränen hinunter. Sein Gefühlswirrwarr kam ihm einfach kindisch vor.

Charakterstark und regenreich dieser April hatte Wolfgang, der Gärtner, gesagt und doch wünschte ich ,mir würde einmal noch warm in diesem Leben.

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Die Widmung (ABC-Etüde)

Manon war die mit dem großen, knallrot geschminkten Lachen, das in jede Ecke des Schulgebäudes drang, die, die jeden mit jeder verkuppeln konnte und Lehrer das Fürchten lehrte, denn wenn sie beschloss, dass einer von ihnen fragwürdig war, wurde er das nimmer los.

Sie war als eine der ersten tätowiert und ihre Klamotten zeigten deutlich, auch taschengeldmäßig konnte nicht jede eine Manon sein.

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Am Feuer (ABC-Etüde)

Der Ping ihres Smartphones tritt sie aus dem Schlaf.

Die Mädchen…

Wenn einer von ihnen was passiert ist, ist es ihre Schuld.

Marina hat ein Foto geschickt, Seite an Seite liegen die Zwillinge auf ihrer Krabbeldecke.

Du siehst, sie leben noch, schreibt Marina. Endlich mal ausgeschlafen? Schreib wenn du losfährst, dann schmeiß ich den Kaffee an.

Ihr ist schwindlig. Wäre sie gestern gleich ins Bett gegangen, wäre sie nach ihrem Gebutstagsgeschenk – Marina hütet die Zwillinge, sie und Bekki gehen ins Kino – jetzt wirklich sensationell ausgeschlafen..

Genieß es, hatte Bekki ihr nachgerufen. Doch die Wohnung war so leer wie in der Krankenhauszeit, sie musste sich beherrschen Marina kein drittes Mal anzurufen und sie mochte nicht akzeptieren, dass ihre erste freie Nacht nach 14 Monaten schon alles verschenkt hatte.

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Was war denn los im Nest? Ein paar Stichpunkte

  • viele Zettel vollgeschrieben und keinen einzigen, davon abgetippt
  • warum denn bloß?
  • die komplette Finanzierung des Schulbegleiters des Kleinen Fundevogels organisiert, mit einem in Hamburg wohl einzigartigen Mischfinanzierungsmodell
  • ein Wochenende auf einem wunderschönen Bauerhof zusammen mit anderen Pflegefamilien verbracht
  • der Kleine Fundevogel ist an an diesem Wochenende vom Kettcar nur zum Schlafen und Essen abgestiegen und auch das nur unter Protest
  • die Frau Fundevogel sah dabei den Kranichen beim Ziehen zu
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Dereinst (ABC-Etüde)

Dereinst, wenn meine Bewegungen nicht mehr wohlwollend behäbig genannt werden können, sondern nur noch Zittern, Zaudern und Stolpern sind; wenn die Systeme meines Leibes nur durch Kästchen vielfarbiger Tabletten unvollkommen am Zusammenbruch gehindert werden: wenn mein Geist und die Gegenwart einander nicht mehr erkennen, meine Seele zwischen den Welten herumgeistert und durch eine Zeitlupe blickend nach Mustern sucht, in dem was so verwirrend mein Leben gewesen sein soll, dann habt Nachsicht mit mir.

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Beim Namen nennen

Ein junger Mann, zuhause auf der anderen Seite der Erde, möchte gerne ein Jahr als AuPair mit uns verbringen. Auch drastische Schilderungen des Lebens im Nest halten ihn nicht davon ab Zeit mit dem Kleinen Fundevogel verbringen zu wollen

Nur das Visum fehlt ihm noch. Ein Visum für AuPair ist keine dramatische Angelegenheit, es gilt ein paar klar definierte Kriterien zu erfüllen und dann kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Nur ist es ihm über Monate nicht gelungen, überhaupt einen Termin zur Visumsbeantragung in der Deutschen Botschaft zu bekommen.

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Osternacht (sehr späte ABC-Etüde)

Mit ratlosem Wohlwollen akzeptierten ihre Eltern, dass ihre Tochter dieses Ostern in den Armen der Kirche und mit Jadwiga verbringen würde.

Kaum hatten sie ein paar Stunden nach der durchgemachten Gründonnerstagsnacht geschlafen, rannten sie in den Gottesdienst zur Sterbestunde Jesu. Am Karsamstag, an dem die Gläubigen doch in andächtiger Stille verharren sollten, waren die Jugendlichen aufgerufen, die Kirche zu schmücken mit dem Grün der jungen Birken, mit Osterglocken, Tulpen und vor allem Buchsbaum, den sie an diesem Tag eimerweise im Kirchgarten schnitt, weil Jadwiga ständig mehr davon verlangte.

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Gründonnerstag (ABC-Etüde)

Machst du mit bei der Gründonnerstagsnacht?, fragte Jadwiga sie und sie wusste gar nichts darauf zu antworten.

Gründonnerstag, das Wort hatte sie immer geliebt, grün wie die ersten Birkenblätter, violett wie Lerchensporn, hatte gehört, dass es bei manchen Leuten da Spinat zu Mittag gab.

Aber was war mit der Nacht?

Der Abend war apriliger wie er nicht hätte sein können, ein sanfter Regen fiel und um die kleine katholische Kirche am Stadtrand herum lugten Buschwindröschen und Scharbockskraut unter blühenden Felsenbirnen hervor.

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Frost (ABC-Etüde)

Es gibt Frost. Die Kürbisse müssen rein.

Das war das letzte , das die Meli gesagt hat, sagt Penny, Fassungslosigkeit in jeder einzelnen Silbe.

Dass eine wie die Meli überhaupt Krebs kriegen und sterben kann, geht schon eigentlich nicht, aber dass sie uns keine Worte hinterlässt wie Haltegriffe.

Die Kürbisse hätten wir auch so reingeholt und hätten dabei gesagt es gibt Frost, die Meli hätt gewollt, dass wir die Kürbisse reinholen.

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Vom Gesehen werden, von Kürbissen und Gespenstern

Letzte Woche nun, da wollte ich die Hecke zwischen Bienenstand und Hochbeet ein ganz klein wenig auslichten, sonst kommt man da bald nicht mehr durch und die Blaubeerpflanze muss auf Nachtschattengewächs umsatteln. Da rumpelt es, da pumpelt es und vor meinen Füßen baumelt orange leuchtend ein Kürbis. Knapp neun Kilo leuchtendes Orange wussten sich einen Sommer lang trefflich zu verbergen, während seine Geschwister von mir gehegt, gepflegt, in Fruchtschutzbeutel gesteckt und kuschelig unterpolstert wurden.

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