Weltenwanderer – Teil 4 (ABC-Etüde)

Möge das Jahr 2019 alle diesen Blog Lesenden freundlich empfangen haben.

Wir hatten ein abendliches Lagerfeuer im Garten und viel Wärme durch die Menschen, die dort beisammen saßen.

Deutlich ruhiger war es als letztes Jahr – vielleicht lag es daran, dass ein paar Tage zuvor in der Nachbarstraße 850kg Böller in einem Privathaushalt konfisziert wurden, legal gekauft, nicht zum Handeln, zum Benutzen. Manche Geschichten wären unglaubwürdig, dächte man sie sich aus…

Zum Jahreswechsel gab es eine Etüdensonderedition mit der ich meine Weihnachtsgeschichte beende, doch noch bevor die Osterhasen in den Geschäften erscheinen.

Aus sechs Wörtern

nachtrauern

nasskalt

Winterbaum

Regenbogen

transparent

bluten

gespendet von dergl und Elke Speidel

galt es fünf auszuwählen und in höchstens 500 Wörter einzubetten.

Die gesamte Arbeit stammt wie immer von Christiane und die liebevoll von ihr bereitgestellte Illustration kann ich wieder nicht kopieren. Keine Ahnung, was das für ein neues Problem ist.

Bewundern Sie das Bild einfach bei Christiane und dann können Sie auch gleich alle andern Sonderetüden lesen


Teil 1

Teil 2

Teil 3

Weihnachtsmann sagte er, sagte es so dahin, als sei es selbstverständlich den Glauben noch nicht verloren zu haben.

Wenn du ein ungeliebtes Kind bist, ist der Weihnachtsmann keiner, dem man nachtrauert, mir schien immer, er gäbe ausgerechnet den Kindern, die Liebe, Barbies und Videospiele schon im Übermaß bekamen.

Ich stromerte Heiligabend meistens alleine draußen rum, man begegnete dann ja kaum jemanden.

Ich setzte mich auf unserem Spielplatz auf die Bank unter den Winterbäumen oder in das Spielhäuschen und wartete auf irgendwas. In einem besonders nasskalten Jahr fand ich im Spielhäuschen ein verlorenes Plastikpferd, es sah neu aus und ich tat so, als habe ich es zu Weihnachten bekommen.

Einmal fand ich vor der menschengefüllten Kirche einen Riesen- Schokoweihnachtsmann und viele andere Süßigkeiten wie für eine Prinzessin verpackt in transparentem Glitzerpapier.

„Heute sind wir zur Probe geflogen, der jungen Rentiere wegen“, erzählte Sören mit ruhiger Stimme, während Peregrin abwechselnd Rumpelquietsch und Luise anlachte. „Und da hat Rumpelquietsch sich mit den Worten da ist sie, die erste der ich beschert habe — vom Schlitten gestürzt. Nun macht einem Polarkobold ein Sturz aus 45 Meter Flughöhe nichts aus, aber wenn die unbeaufsichtigt durch die Menschenwelt läuft…“

Rumpelquietsch keckerte gehässig, Peregrin lachte wieder mit.

„Natürlich waren wir längst nicht mehr über dir, als sie sprang“

„Mir?“

„Erinnerst du dich an einen Weihnachtspräsentkorb 2005  vor der Johanniskirche? Spontanabwurf von Rumpelquietsch, hattest wirklich Glück, normalerweise sieht alles, was sie beschert aus wie durch einen Mixer gedreht…“

„Für dich habe ich mir Mühe gegeben“, strahlte Rumpelquietsch und sprang von Luises Arm in meinen, nun wurde der lachende Peregrin umrahmt von meinem Anorak und ihren Zottelarmen, danke, sagte ich zu dem hässlichen Wesen, danke und mir kamen fast die Tränen.

„Zum Glück wohnte Luise in der Nähe, eine unserer begnadetsten Mitarbeiterinnen in der Menschenwelt. Obwohl eine missglückte Operation ihr die Stimme raubte, schafft keine wie sie so viele Geschenke für die Kinder heran, denen keiner was schenkt. Sie lief unserer Rumpelquietsch bis zu deinem Wagen nach.“

Luise lächelte, sie sah zwar aus wie eine Waldorflehrerin, aber wenn Rumpelqietsch ihr vertraute, konnte sie nicht ganz falsch sein.

Aus einer Umhängetasche zog sie ein Mobilé aus Sonne, Wolke und Regenbogen. Sie wies auf Peregrin und legte das Mobilé auf mein Bett. Dann zückte sie einen kleinen Block, schrieb etwas auf und reichte es mir, es war eine E-Mail-Adresse.

„Isa, wir müssen weiter. Gehabe dich wohl“, mahnte Sören zum Aufbruch. Rumpelquietsch und ich drückten uns fest.

Fort waren sie und hinterließen nichts als Leere. Peregrin verlernte das Lachen so schnell wieder wie er es gelernt hatte. Weihnachten war absolut freudlos.

Erst zu Neujahr raffte ich mich auf und schrieb einen Gruß an Luise. Sofort kam eine lange Mail zurück.

Die letzten Zeilen waren: Leben Sie wirklich mit dem herzigen Kindlein in diesem kalten Wagen? Bis vor zwei Wochen wohnte hier eine junge Syrerin mit Kind, ihr Mann ist nun nachgekommen und sie haben ein gemeinsames Zuhause gefunden. Falls Sie sich die beiden Zimmer einmal ansehen mögen, eine Freundin Rumpelquietschs wäre meine erste Wahl…

Ich freue mich immer über Likes und Kommentare zu meinen Texten, muss aber darauf hinweisen, dass WordPress.com – ohne dass ich daran etwas ändern könnte — E-Mail und IP-Adresse der Kommentierenden mir mitteilt und die Daten speichert und verarbeitet. Ich selbst nutze die so erhobenen Daten nicht (näheres unter Impressum und Datenschutz). Sollte das Löschen eines Kommentars im Nachhinein gewünscht werden, bitte eine Mail an fundevogelnest@posteo.de, meistens werde ich es innerhalb von 48 Stunden schaffen dieser Bitte nachzukommen.

9 Gedanken zu “Weltenwanderer – Teil 4 (ABC-Etüde)

  1. Christiane Januar 2, 2019 / 8:44 am

    Oh Mensch, das ist so zauberhaft, du schaffst es immer wieder, dass ich einen Kloß im Hals habe …
    Herzlichen Dank!
    Liebe Grüße
    Christiane 😀😺

    Gefällt 2 Personen

  2. Myriade Januar 2, 2019 / 12:28 pm

    Das ist deine unverwechselbare Mischung aus erstem Inhalt und leichten Worten. Allein schon „Rumpelquietsch“ und die Sache mit dem kalten Wagen

    Gefällt 1 Person

    • fundevogelnest Januar 3, 2019 / 12:04 am

      Rumpelquietsch gehört schon lange zu unseren Weihnachtsgästen.
      Weißt du, es gab mal einen kleinen Jungen, der sich wahnsinnig auf seine neue Schwester gefreut hatte und dann bekämpfte sie ihn nach Kräften und schrie sonst nach Essen.
      Wer konnte das besser verstehen als jener altgdiente Weihnachtswichtel, der dauernd beim Geschenke einwickeln von dem Polarkobold gebissen wurde, den der Weihnachtsmann irgendwo ausgesetzt gefunden hatte…

      Gefällt 1 Person

      • Myriade Januar 3, 2019 / 11:43 am

        Ohhh, wie schwierig doch das Leben manchmal ist. Das eine Kind hast du ins Nest geholt, dafür hat das andere gelitten. Da war Rumpelquietsch sicher eine Hilfe, allein über den Namen kann man immer wieder schmunzeln.
        Unbekannterweise grüße ich den Studenten der Geowissenschaften …..

        Gefällt 1 Person

        • fundevogelnest Januar 3, 2019 / 10:56 pm

          Habe ich ausgerichtet, er hat freundlich gelacht.
          Es war eine superharte Zeit damals, mit vielen Zweifeln und viel Verzweiflung..Vorlesen und Grschichten erfinden, nur wir zwei allein, das war wirklich eine der großen Rettungsinseln damals.
          Mein Sohn ist letztlich an dieser gewachsen. Mit Anfang zwanzig wirkt er sehr reif (was ihn nicht davon abhält die Nächte durchzufeiern oder mit Computerspielen zu verzocken) und verantwortungsbewusst, im Kirchenvorstand ist der Herr gar.
          Und den Kleinen betreut er richtig gern und überaus kompetent(und wenn ich arbeite auch anständig bezahlt)
          Die „Liebeserklärung “ an ihn steht hier noch aus. Bei den Fundevöglen wählte ich die Einzugstage, bei ihm wollte ich nun den Geburtstag nehmen, der ist noch ein bisschen hin …

          Like

  3. violaetcetera Januar 2, 2019 / 8:07 pm

    Was für ein emotionales Hin und Her für die Protagonistin. Ich mag sehr die glückliche Wendung, die sich am Ende abzeichnet. Und hoffentlich gibt es noch eine Fortsetzung.

    Gefällt 1 Person

    • fundevogelnest Januar 2, 2019 / 11:58 pm

      Mal sehen.
      Isa und Peregrin hängen seit Monaten bei mir herum, eigentlich wollen sie eine richtig lange Geschichte für sich, am liebsten einen ganzen Roman, dafür habe ich zurzeit keine Kapazitäten (zumindest müsste ich dannn das Bloggen sein lassen) und mir fehlt da auch noch eine entscheidene Idee.
      Mal sehen.
      Ich fand es jedenfalls reizvoll die Mutter eines behinderten Kindes die Hauptperson einer Phantasiegeschichte sein zu lassen.

      Gefällt 1 Person

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.