Eine zarte Erinnerung (ABC-Etüde)

Wenn die Zeiten nicht so sind, wie sie für die eigene Wenigkeit und den Planeten wünschenswert wären, wenn sich Sorgen, Herausforderungen und dringend zu Erledigendes wie ungezogene Kinder vor einer Rutsche gegenseitig wegschubsen, besteht höchste Gefahr die Vergangenheit süßlich zu verklären, als habe in den Jahren in dem kleinen Haus permanent die Sonne geschienen und alles sei stets und immer in Schmetterlingswolken gehüllt gewesen

Als hätte ich zwei, drei Jahre keinen Anlass zum Fluchen gehabt, niemanden unnütz im Streite verletzt und keine Nachtgespenster im Bett gehabt. Als sei das Artensterben lediglich ferner Horror gewesen, nur weil hier noch Kiebitze waren und viel mehr Fledermäuse und Libellen.

Ach Alte, erzähl weiter von den Neunzigern, denk an wenigstens an Srebrenica, jetzt wo sie alle faseln vom ersten Krieg in Europa nach 1945.

Es war einfach eine schöne Zeit in dem Gartenhaus, mit meinem unversehrten Baby, als die Demenz noch nicht an den Hausherren geleckt hatte, Krebs Menschen betraf, die ich weniger gut kannte und die Pfauenaugen sich abends in Scharen zum Schlafen unter die hölzerne Zimmerdecke falteten. Im Morgengrauen, wenn das Kindchen die Brust verlangte, umflatterten sie uns, bis der letzte den Weg durch die Tür gefunden hatte.

Und wenn es objektiv hundert Mal Quatsch ist , es war mein Paradies, aus dem ich irgendwie herausgestolpert bin, wenigstens nicht ohne ein Bündel Erinnerungen mitzunehmen, solche wie diese: Beim Aufhängen der Wäsche höre ich die Stimme des Kindchens hinter der Hausecke, erregt irgendwie aufgebracht Nein! Nein! Nein!

Mit wem redet der bloß?

Die Hände in die gerade mal zweijährigen Hüften gestemmt steht er vor einem blühenden Fingerhut, fast so groß wie er selbst.

Nein! Nein! Aua Bauch!

Aber die dusselige Hummel will einfach nicht verstehen, dass sie an eine Giftpflanze geraten ist.

Symbobild zur aktuellen Etüdenrunde mit den Pflichtwörtern Fingerhut, süßlich, fluchen

Diese liebe Erinnerung hat neben der Etüdenhegerin Christiane mit ihrer verführerischen Wortspende – Fingerhut, süßlich, fluchen – die Frau Stachelbeermond mit ihrem bezaubernden Beitrag zu eben diesen Worten geweckt und aus einem geplanten Kommentar wurde eine ganze Geschichte.

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5 Gedanken zu “Eine zarte Erinnerung (ABC-Etüde)

  1. Christiane April 25, 2024 / 8:14 am

    Wie hast du ihm erklärt, dass der Fingerhut der Hummel nichts macht? 🐝 😉 Ach, schön ist das, und ja, man lebt von solchen Erinnerungen 🧡
    Danke dir!
    Morgenkaffeegrüße ☁️🌿🎶☕🍪

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  2. Fundevogelnest April 25, 2024 / 10:04 am

    Ich weiß es gar nicht mehr, vermutlich inetwa dass Hummeln ganz andere Körper haben und z. B. kein Käsebrot essen sollten.

    Es war übrigens eigentlich gar kein Fingerhut, sondern eine Mahonie, aber die Geschichte funktioniert auch so.

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  3. stachelbeermond Mai 9, 2024 / 10:07 am

    Am liebsten mag ich die Falter, die morgens im Sonnenlicht einer nach dem anderen aus der Tür flattern… 🙂 und über die Wortwahl für den aktuellen Krieg wundere ich mich auch immer wieder.

    Sehr schöne Etüde! Liebe Himmelfahrtsgrüße! 😊

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