Karen trägt kein Kleid (ABC-Etüde)

 

Wieder nährt sich eine Etüdenrunde der Zielgeraden. Schwer habe ich mit Agnes Podczeks Wortspende getan, die

Kartoffeln mundeten wohl, aber zu

bevormunden oder gar

anzüglich

mochte sich lange keine Geschichte einstellen, nun ist sie da, grausam irgendwie, wehmütig auch und einzig die Frau Kaethe ist nach dem Leben geschrieben.

Es dauerte lange bis ich mich wieder mit Anthroprosophen einließ – und dann habe ich ein paar wunderbare Menschen kennengelernt, ganz ohne Kleid.Agnes Podczeks Blog ist übrigens eine Augenweide, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

Alles was zu ihrer Wortspende zusammenkam, findet sich bei Christiane, der unermüdlichen Etüdenpflegerin, die auch diese ansprechende Illustration gestaltet hat.

Erst war es einfach ein Mord in den Nachrichten, einer wie viele. Eine besondere Sache war es nur deswegen, weil die bestialische Tat aus gekränkter Eitelkeit und verschmähter Liebe in der Nähe meines Elternhauses geschah. Wir strichen um die Grablichter und welkenden Blumen auf dem Fußweg wie um verbotene Früchte, verstohlen gierten wir nach Details, fanden sie in Zeitungen mit großen Buchstaben oder auf Websites, die wie gemeinhin verachteten.

Einzelheiten, bei denen die Seele ihren Mantel enger zog und automatisch so tat, als handele es sich eigentlich um einen gut gemachten Thriller. Das Schaudern und drüber Reden hatte durchaus gemütliche Aspekte.

Bis ich durch Mutters Halbsatz begriff: Ute W., Name geändert, war Karen. Karen, die Unverletzliche. Wenn sie so sterben konnte, konnte das jeder widerfahren.

Vor vielen Jahren hatten wir unter Frau Kaethes Regiment nach Demeterrichtlinien gepflanzt, gejätet und Kartoffeln angehäufelt. Ohne Karen hätte ich das Praktikum geschmissen, wegen Frau Kaethe, der Kälte und Wolfgang, dem Auszubildenden, dessen anzüglichen Bemerkungen ich völlig hilflos ausgeliefert war.

Karen stutzte Wolfgang gleich an ihrem ersten Tag zurecht. Ich merkte mir jedes einzelne Wort. Danach himmelte er sie an, was mich wurmte. Trotzdem wurde sie mir beinahe eine Freundin.

Wenn Regen fehlte oder die Schnecken überhand nahmen, arbeiteten wir auch sonntags, Frau Kaethe wünschte uns Mädchen an diesem Tage angemessen im Kleid über den Acker kriechen zu sehen. Karen boykottierte das, damit der Wolfgang noch mehr zu glotzen hat? Vergessen Sie das einfach.

Keine Welt stürzte ein, Karen wurde nicht gekündigt, auch nicht, als sie statt Frau Kaethes „liebevoll“ gekochtem Vollwertessen Schokoriegel aß, den Ernährungsantichristen also.

Immer wenn mich seither Leute bevormunden wollten, erinnerte ich mich an Karen, die Frau Kaethe entgegenschmetterte: Wie kämen Sie hier eigentlich ohne unbezahlte Praktikanten klar?

Jeden Mut, den ich habe, verdanke ich ihr.

Und nun auch alle Angst.

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Ein Gedanke zu “Karen trägt kein Kleid (ABC-Etüde)

  1. Christiane Mai 4, 2019 / 6:59 am

    Wehmütig, ja. Erinnern ist manchmal ein bitteres Geschäft. Trotzdem wünsche ich jedem und jeder eine Karen, die zeigt, wie es auch gehen kann …
    Liebe Grüße, vielen Dank dafür
    Christiane

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