Die Braut (ABC-Etüde)

In der Nacht da träumte ich von einem Text, der war so schön, dass mir die Tränen kamen und als ich ihn wiederlesen wollte, war der Blog gelöscht,weil die Autorin gestorben war.

Ich war noch beim Aufstehen traurig, auch weil ich mit dem besten Willen nicht an den im Traum gelesen Text erinnern kann.

Stattdessen fiel mir noch etwas zu Anna-Lenas Etüdenwörterspende ein:

Himmelsleuchten

ausreisen

recycelbar

fanden noch einmal kurz vor Ende der Etüdenrunde mit 297 anderen Wörtern zusammen.

Als ich das letzte Mal über Pam und ihre Eltern schrieb, war Pam erst zehn. Sie und ihre Familie stammen aus meiner uralten Feengeschichte. Seit ich neulich meine alberne Feenetüde schrieb, wollen alle aus dieser Geschichte immerzu neue Geschichten über sich haben. Das macht Spaß und wärmt mein Herz.

Christiane, dir gebührt der Dank für den komfortablen Etüdenrahmen und das Bild.

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Als sie aus dem Standesamt traten und ihre Neffen ihnen getrocknete Rosenblätter so hastig vor die Füße kippten, als erledigten sie eben das Müllwegbringen, ging die Novembersonne schon unter, in jenem grandiosen Farbenrausch, den es nur an eiskalten Tagen gibt.

Nadir, der Pam eben noch wirklich behutsam vor den Augen der Standesbeamtin geküsst hatte, zog den Ring, den sie ihm eben aufgesteckt hatte, ab und legte ihn sanft in ihre Hand. Danke, auf ewig danke.

Auch Pam zog den schmalen Goldreif mit der Gravur 29.7.1992 vom Finger und gab die Ringe zurück, Mutter grinste, Vater küsste sie auf die Stirn, ich bin so stolz auf dich.

Ja, ich auch auf dich, gerade jetzt war das wahr.

Lange hatte sie ihren Vater verachtet, den unmöglich gekleideten Naturfreund, dem nichts, was nicht vollständig recycelbar war, über die Schwelle kam, der statt normal zu reden, vor Schulfreundinnen Klassiker rezitierte, seinen Kindern Namen aus Opern gab (das war ihre einzige Bedingung gewesen:  Niemand durfte von Nadir erfahren, dass Pam nicht etwa Pamela sondern Pamina hieß) und der -das war das Schlimmste – Lebensmittel containerte, als es diesen Begriff noch gar nicht gab, Müllkind hatten sie sie in der Klasse genannt.

Nadir würde niemals mehr sein als ein guter Freund, der nun nicht ausreisen musste nach Herat, wo die Taliban ihn nicht vergessen hatten. Ihre Familie wusste das und gab ihnen ebenso konspirativ wie frohsinnig Geleit.

He, könntest du mal den Brautstrauß werfen, damit wir wissen, wer die nächste ist, gröhlte Desdemona übermütig von hinten. Überquellend vor Liebe für diese, ihre einzigartige Familie schleuderte die Braut ihren Strauß über die Schulter.

Wo ist er denn?

Das Vordach des Ortsamt spiegelte das herrliche Himmelsleuchten. Rosen und Schleierkraut guckten aus der Traufe auf eine Gruppe von Menschen, die sich in den Armen hielten und nicht aufhören konnten zu lachen.

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12 Gedanken zu “Die Braut (ABC-Etüde)

  1. Elke H. Speidel November 16, 2019 / 10:28 pm

    Hm. Unvorsichtig, die Ringe so bald zurückzugeben, würde ich sagen. Und unvorsichtig, Ringe mit einer falschen Gravur zu wählen. Und ein riskantes Unterfangen, so eine Scheinehe.

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    • fundevogelnest November 18, 2019 / 9:28 pm

      Ein gewisses Risiko ist gewiss dabei und bei mehr als 300 Wörtern hätten sie die Ringe auch bis abends aufbehalten können (hüstel).
      Aber ob es Standesbeamte gibt , die auf Gravuren schauen?
      Unter anderem inspirierend war eine Scheineheschließung , der ich mal vor einer halben Ewigkeit beiwohnte. Die beiden hatten gar keine Ringe, ging auch.
      Dafür sagte der Standesbeamte: „Ihr Freunde erwarten wohl noch etwas von ihnen“
      Beide guckten verwirrt.
      Dann kam „Un beso, tontos“ (Einen Kuss, ihr Trottel)
      Den bekamen sie bühnenreif hin.

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  2. Myriade November 17, 2019 / 1:06 am

    Ein wunderbar leichtfüßiger, hüpfender, fließender, lachender Text. Desdemona und Pamina *kicher*

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    • fundevogelnest November 18, 2019 / 9:29 pm

      Ja, so heißen sie schon in der alten Geschichte, wo sie noch Kinder sind 😉

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  3. Christiane November 17, 2019 / 8:59 am

    Danke für die Leichtigkeit, mit der du das Thema umgesetzt hast. Warum soll es nicht auch mal funktionieren und nicht im Drama enden …
    Danke dir für diese wunderbare und von Liebe erfüllte Etüde.
    Liebe Grüße
    Christiane 😁🐱☕

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    • fundevogelnest November 18, 2019 / 9:38 pm

      Es gab eine Zeit, da wurden in meinem persönlichen Kreis mit großer Leichtigkeit Scheinehen geschlossen. Die Leute hatten kein Geld, keine Familie, nicht vor zu heiraten, einem Freund, einer Freundin helfen zu können erschien so mühelos…
      Und man wusste nach einigen Jahren hat der, die andere ein eigeneständiges Aufenhaltsrecht (so arbeitend, so nicht straffällig), dann konnte man sich ja wieder scheiden lassen.
      Wenn ich nicht schon recht früh ein Kind gehabt hätte,hätte ich mich vielleicht auch hinreißen lassen

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      • Christiane November 18, 2019 / 10:14 pm

        Ich stand nie ernsthaft vor der Frage, damals waren die Aufenthaltserlaubnisse der Ausländer in meinem Umfeld ungefährdet. Überlegt hätte ich damals auch.
        Heute vermutlich nicht mehr.

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  4. Petra Schuseil November 17, 2019 / 1:22 pm

    Mir gefällt deine Geschichte 🙂

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  5. violaetcetera November 17, 2019 / 2:21 pm

    Lach… Der Brautstrauß verhält sich genau so unkonventionell wie die ganze Familie. Wunderbar!

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  6. fundevogelnest November 18, 2019 / 9:33 pm

    Wie ich oben schon schrieb, hat die Geschichte einen kleinen wahren Kern. Die Braut war den Stauß zwar nicht in die Regenrinne ,aber so weit, dass es nicht die geringste Chance gab ihn zu fangen.

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