Der Hamster und seine Rumpelkammer (ABC-Etüde)

Das noch immer im unruhigen Dornröschenschlaf dahintreibende Krankenhaus hat mir heute zwar nicht ganz frei, aber einen Rufdienst gegeben, der bis jetzt nicht angefordert wurde und nun auch vermutlich nicht mehr wird. So entstand tatsächlich noch Raum für eine Art Etüde, man könnte sie auch schlicht als Gedankensalat bezeichnen, herum geschrieben um die Wörtespende (Rumpelkammer, mutvoll, zehren) des Etüdenerfinders Ludwig Zeidler, derzeit leider ohne Blog.

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In meiner Seele wohnt ein Hamster, immer schon, das ist kein Coronasymptom. Als natural born hamster bleibe ich von der Klopapierkrise unberührt, ich habe seit Februar keines mehr gekauft und es ist noch was da, Nudeln auch, die Trockenhefe habe ich verschenkt.

Der Feldhamster cricetus cricetus schleppt bis zum zehnfachen seines Körpergewichts in seinen Bau und zehrt den Winter über davon, nein 500 Kilo Nudeln horte ich nicht.

Indes lebt der Mensch nicht von Pasta allein, die wichtigste Kammer im Hause ist unsichtbar, jene, in die der Hamster Bröckchen um Bröckchen Gehörtes, Gelesenes und  Erlebtes schleppt, der Erzählvogel braucht nur darin herumpicken und alle Zutaten für Geschichten liegen bereit.

Ihrem Klopapierreichtum zum Trotz erlebte die Frau Fundevogel gegen Ostern ihre Coronakrise. Ein Kind, das alles verweigert, ein Kind, das zuschlägt und als Freizeitbeschäftigung Arbeiten in einem verunsicherten Krankenhaus und nächtliches Feen um den Blog schicken.

Später, murmelt sie, später, wenn der Erzählvogel sie mit energischem Schnabelpicken Richtung Rumpelkammer schickt, in die besondere, in der ihr noch nie die Scham über ihre gehorteten Einmachgläser auf den Kopf gefallen ist.

Was soll ich da? Es bleibt keine Zeit zum Schreiben, nicht mal für eine Etüde.

Geh einfach.

Seinem Erzählvogel sollte man vertrauen.

Voll ist es, aber ein Eckchen um die ewige Angst zu Versagen vorläufig in einem Karton zu verstauen, findet sich. Erinnerungen an gewaltfreie Trainings hält der Hamster in den Pfötchen bereit, gedacht um sich bei Demonstrationen nicht in Schlägereien verwickeln zu lassen, sondern mutvoll, beharrlich und sanft zu sein wie Gandhi und King. Spaßig waren diese Trainings zudem, glitzernde Freundschaften hängen daran. Mit Erziehung habe ich sie nicht in Verbindung gebracht.

Der Glaube an Saftmut und Beharrlichkeit kehren dennoch zurück, die Gewissheit einiges aushalten zu könnnen, mich selbst nicht so wichtig zu nehmen.

Weich streicht der Hamster an meiner Wange entlang.


Es gibt tatsächlich einen Autor – den israelischen Psychologen Haim Omer -der Pädagogik und die Mittel der gewaltfreien Aktion miteinander in Verbindung bringt, wobei ich von ihm bislang nur über Jugendliche und überwiegend Erziehung in Institutionen gelesen habe, sechsjährige Wutzwerge kommen da eher weniger vor.

Besonders die immer wiederkehrende Betonung der Selbstkontrolle der Erziehenden gefällt mir bei ihm. Ich liebe das Zitat:

Und bist du nicht willig … so brauch ich Geduld.

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4 Gedanken zu “Der Hamster und seine Rumpelkammer (ABC-Etüde)

  1. Array April 19, 2020 / 1:34 pm

    Wie ich deine Texte mag! Ich kann den speziellen Zauber, den sie auf mich wirken, gar nicht in Worte fassen, also bedanke ich mich einfach wieder mal, auch für das nächtliche “Feen um den Blog schicken”, das ich jeden Tag gebannt verfolge. Und vielen speziellen Dank für das Zitat, Geduld ist nie ein schlechter Ansatz, auch bei Erwachsenen nicht …
    Ganz herzliche Grüße in den Norden
    Christiane 😉

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    • fundevogelnest April 19, 2020 / 10:34 pm

      Ganz bestimmt auch bei Erwachsenen und nicht zuletzt bei sich selbst.

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  2. Olpo Olponator April 22, 2020 / 4:03 am

    Genial.
    Und zwischen den Zeilen der Vorgeschichte zu lesen hütet man sich wie ebenso davor, über Geschichten von jenen zu lesen die dort arbeiten, wo Ärzte ohne Grenzen schon abgezogen sind. Einfach aus Selbstschutz. Fühl dich umarmt. Ein bißchen.

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