Geisterstunde (ABC-Etüde)

Fröstelkalt, doch viel zu warm für eine Februarnacht. Die Feinstaubbelastung ist hoch. Das Barometer geht in die Knie. Der Hund von rechts unten kläfft. Leise zischelt ein Spuk durch die Heizung, spuckt CO2 in die traurige Luft.

Diffus streicht durch den Kopf ein kleines Weh. Die Wärmflasche ist zu heiß geraten für die klammen Zehen.

In die Decke rollen, steinmüde eben noch, jetzt herzklopfwach.

Wisperworte, heizungsszischelnde Wisperworte verspinnen sich mit dem Weh, Licht an, Handy an, Wispern schrumpft zum Heizungszischeln.

Das hilflose Zurechtweisen der Hundebesitzer übertönt rechts unten den Hund.

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Die Widmung (ABC-Etüde)

Manon war die mit dem großen, knallrot geschminkten Lachen, das in jede Ecke des Schulgebäudes drang, die, die jeden mit jeder verkuppeln konnte und Lehrer das Fürchten lehrte, denn wenn sie beschloss, dass einer von ihnen fragwürdig war, wurde er das nimmer los.

Sie war als eine der ersten tätowiert und ihre Klamotten zeigten deutlich, auch taschengeldmäßig konnte nicht jede eine Manon sein.

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Dereinst (ABC-Etüde)

Dereinst, wenn meine Bewegungen nicht mehr wohlwollend behäbig genannt werden können, sondern nur noch Zittern, Zaudern und Stolpern sind; wenn die Systeme meines Leibes nur durch Kästchen vielfarbiger Tabletten unvollkommen am Zusammenbruch gehindert werden: wenn mein Geist und die Gegenwart einander nicht mehr erkennen, meine Seele zwischen den Welten herumgeistert und durch eine Zeitlupe blickend nach Mustern sucht, in dem was so verwirrend mein Leben gewesen sein soll, dann habt Nachsicht mit mir.

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Ein Todesfall (ABC-Etüde)

Den Laden aufschließen, die Kasse öffnen, jeder Handgriff eingesponnen in den Kokon der Traurigkeit.

Was hast du?, fragt Marieke, die liebste Kollegin. Ach, schlecht geschlafen, Kopfschmerzen, einen Kaffee, dann ists besser. Wir öffnen gleich. Ich kann mich nicht verkrümeln. Ich werde ihr nicht von Micha erzählen, Marieke wird überhaupt nie erfahren, dass ich einen Bruder gehabt habe. Auf den spärlichen Fotos sieht sein Gesicht inzwischen aus wie ausgeliehen. Beim Zurechtrücken der Auslagen stelle ich mir vor in Mariekes Armen zu weinen. Es täte unendlich gut. Anständig wäre es nicht.

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Der Landvermesser (ABC-Etüde)

Und schon sind die Herbstferien da. Der Kleine Fundevogel, der zufällig gerade mal nicht hustet, geht in die Kita und der Große Fundevogel und ich haben Zeit füreinander und uns vorgenommen, wenigstens eine Wand der Gartenlaube zu streichen.

Doch heute war das nichts, es hat geschüttet wie aus Kübeln. Endlich! Ich konnte mich gar nicht satthören am Geprassel. Und während der Große Fundevogel so eine Art Herbstschläfchen hielt, schlich hier ein ungewöhnlicher Landvermesser vorbei.

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Die Faust (ABC-Extra-Etüde)

Der Juni war ein Monat mit einem Extrawochenende, das auch extra heiß war. Deshalb gibt es eine Extraetüde.

Bei diesem Extra sind 200 Wörter extra erlaubt, also 500 Wörter, die ich selbstredend komplett aufgebraucht habe. Fünf dieser Wörter mussten aus den Wörterspenden der  beiden vorherigen Etüdenrunden stammen. Sie finden sich in der Illustration und  wurden von Viola und Werner Kastens freundlicherweise spendiert. Weiterlesen

Das Zaubererhaus (ABC-Etüde)

Alles ist plötzlich  voller orangener Schmetterlinge. Bei Ihnen auch?

Distelfalter sind es, Wanderfalter, die den Winter im nördlichen Afrika und im Nahen Osten verbringen und von denen es alle paar Jahre Masseneinflüge gibt (bei Interesse ist reichlich im Netz darüber zu finden z.B.beim NABU)

Ich kann nicht umhin jedem einzelnen zuzulächeln. Und in meinem Garten, in dem es aus Zeitmangel noch irrer wuchert, als es sowieso schon soll, sind die Tische schon mal reich für sie gedeckt.

Vielleicht ist es ja dem Distelfalterumflattertsein zu verdanken, dass mir endlich mal wieder eine leichte Etüde gekommen ist, ausgerechnet zu den eher schweren Wörtern, die Werner Kastens spendete: Weiterlesen